zeit geschehen
Gegenwärtig bemerkt man, was den Deutschen umtreibt – innere Empörung. Vor allem empört man sich darüber, dass ein kleiner, aber eben deutlich erkennbarer Teil unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger als wenig beweglich bezeichnet wurde, um es höflich auszudrücken.
Allerdings empören sich nicht diejenigen, die es unmittelbar betrifft – die wissen nämlich sehr gut, wie sie sich auf Kosten anderer durchs Leben lavieren können und schweigen deshalb. Aufschreie kommen vielmehr von denen, die traditionell bodenständig und allzeit für billige Witze zu haben sind: Karnevalisten. Sie sehen sich in ihrer Lieblingsrolle: Für den einfachen Mann auf der Straße mal das sagen zu dürfen, was sich der einfache Mann nun mal nicht traut. Meinen sie jedenfalls. Lassen wir sie dabei, etwas zu meinen. Sie sind schließlich Narren.
Wobei mir allerdings dies auffällt: Früher gab es einen beträchtlichen Abstand zwischen den zweitklassigen Sprüchen, die Karnevalisten in der Bütt gerissen haben und dem, was Kabarettisten über die Welt sagten. Heute nähert sich beides immer mehr an – schließlich ist man heute überwiegend im Fernsehen und da muss man eben so flach in die Pampe hauen, dass auch noch Tante Lottchen lacht.
Allerdings empören sich nicht diejenigen, die es unmittelbar betrifft – die wissen nämlich sehr gut, wie sie sich auf Kosten anderer durchs Leben lavieren können und schweigen deshalb. Aufschreie kommen vielmehr von denen, die traditionell bodenständig und allzeit für billige Witze zu haben sind: Karnevalisten. Sie sehen sich in ihrer Lieblingsrolle: Für den einfachen Mann auf der Straße mal das sagen zu dürfen, was sich der einfache Mann nun mal nicht traut. Meinen sie jedenfalls. Lassen wir sie dabei, etwas zu meinen. Sie sind schließlich Narren.
Wobei mir allerdings dies auffällt: Früher gab es einen beträchtlichen Abstand zwischen den zweitklassigen Sprüchen, die Karnevalisten in der Bütt gerissen haben und dem, was Kabarettisten über die Welt sagten. Heute nähert sich beides immer mehr an – schließlich ist man heute überwiegend im Fernsehen und da muss man eben so flach in die Pampe hauen, dass auch noch Tante Lottchen lacht.
sehpferd - am Freitag, 13. Januar 2006, 17:44 - Rubrik: zeit geschehen
noch nichts dazu gesagt - etwas dazu sagen
Ich wusste es doch. Wir schreiben Mittwoch, den 11.01.2006, und die Süddeutsche Zeitung bringt einen quälend langatmigen Artikel darüber, dass sich „Sex nicht mehr verkaufe“, ein Artikel, von dem natürlich auch Sehpferd Wind in die Nase bekommt. Doch schnupfentrunken wollte einfach nicht in mein Hirn, wo ich dergleichen schon einmal ähnlich gelesen hatte. Nun, der Schnupfen ließ heute nach und da fiel mir wie Schuppen von den Augen, dass genau ich, Sehpferd, über dieses Thema schon einmal geschrieben hatte – und zwar basierend auf einem Artikel des Economist. Potz Blitz: Der trägt das Datum vom 28. Oktober 2004 und verweist auf genau die gleiche englische Studie mit genau den gleichen Umständen und so ähnlichen Texten, dass es weh tut:
Im Economist, Oktober 2004:
„Peter Frost, whose company, Proficiency2020, ran a conference last month (“Rethinking Pink”) on selling to women consumers, argues that crude sexual images are both distasteful and increasingly irrelevant. “When you see an office copier with a girl draped over it, it titillates 10% of the customers and alienates the rest.”
In der Süddeutschen, Januar 2006, "Jetzt":
"Nach Ansicht von Peter Frost vom Marketingberater Proficiency 2020 hat sexuell dominierte Reklame zum Teil sogar katastrophale Auswirkungen. Unter dem Motto "Rethinking Pink" organisiert Frost Fortbildungsveranstaltungen zum Thema. Sogar Männer, so Frost, würden heute in der Mehrzahl witzige und informative Werbung bevorzugen. "Wenn sich in einer Reklame für einen Fotokopierer ein leicht bekleidetes Mädchen anzüglich auf dem Gerät räkelt, spricht dies zwar ungefähr zehn Prozent der potenziellen Käufer positiv an", sagt er, "Aber die restlichen 90 Prozent verprellt man komplett.".
Na ja, Süddeutsche Zeitung: toller Journalismus, nicht wahr? Glaubt ihr etwa, es fällt nicht auf, wenn ihr die ollen Kamellen aus dem Economist nach über einem Jahr als brandneue Meldungen bringt? Mir schon.
Im Economist, Oktober 2004:
„Peter Frost, whose company, Proficiency2020, ran a conference last month (“Rethinking Pink”) on selling to women consumers, argues that crude sexual images are both distasteful and increasingly irrelevant. “When you see an office copier with a girl draped over it, it titillates 10% of the customers and alienates the rest.”
In der Süddeutschen, Januar 2006, "Jetzt":
"Nach Ansicht von Peter Frost vom Marketingberater Proficiency 2020 hat sexuell dominierte Reklame zum Teil sogar katastrophale Auswirkungen. Unter dem Motto "Rethinking Pink" organisiert Frost Fortbildungsveranstaltungen zum Thema. Sogar Männer, so Frost, würden heute in der Mehrzahl witzige und informative Werbung bevorzugen. "Wenn sich in einer Reklame für einen Fotokopierer ein leicht bekleidetes Mädchen anzüglich auf dem Gerät räkelt, spricht dies zwar ungefähr zehn Prozent der potenziellen Käufer positiv an", sagt er, "Aber die restlichen 90 Prozent verprellt man komplett.".
Na ja, Süddeutsche Zeitung: toller Journalismus, nicht wahr? Glaubt ihr etwa, es fällt nicht auf, wenn ihr die ollen Kamellen aus dem Economist nach über einem Jahr als brandneue Meldungen bringt? Mir schon.
sehpferd - am Donnerstag, 12. Januar 2006, 19:37 - Rubrik: zeit geschehen
noch nichts dazu gesagt - etwas dazu sagen
Eben wollte ich noch einen Artikel zu dem neuen unsäglichen Streit schreiben, den die beiden Kirchen jetzt in der deutschen Hauptstadt mit dem Senat vom Zaume brechen. Doch inzwischen denke ich, dass es gleich ist, ob die kirchlichen Trotzköpfe dort noch einmal von sich reden machen oder nicht: Ethikunterricht für alle Schüler ist wichtiger als die Präsenz der Amtskirchen in den Schulen – das müsste eigentlich einsehbar sein.
Ist es aber offenbar nicht – sehen sie, und warum sollte ich dann noch darüber schreiben?
Ist es aber offenbar nicht – sehen sie, und warum sollte ich dann noch darüber schreiben?
sehpferd - am Mittwoch, 11. Januar 2006, 21:42 - Rubrik: zeit geschehen
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Eines ist sicher: In der Familienpolitik kann man es den Deutschen nicht recht machen. Schon in der Vergangenheit zeigte sich: Räumt man den Alleinerziehenden Privilegien ein, rennen die Vollfamilienväter zum Kadi und klagen diese für ihre Familien auch ein – und wenn der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht mehr hilft, da hilft Artikel 6 des Grundgesetzes. Ähnlich ist es mit Arm und Reich: Gibt man den Wohlhabenden Betreuungsgelder, damit ihr Kinderwunsch zunimmt, dann schreien die Armen, dass eigentlich sie das Geld zu beanspruchen hätten. Gibt man hingegen den Armen, so geifern die Kinderhaber mit mittleren Einkommen, dass sie schließlich die gleichen Belastungen hätten.
Die Familienpolitik versucht gegenwärtig, wohlhabenden Familien den Kindersegen schmackhafter zu machen – das ist im Grunde legitim, denn in der Regel kommen aus den Familien der Leistungsträger neue Leistungsträger – Menschen, die Deutschland dringend benötigt.
Doch auch Wilfried Steinert, dem Vorsitzenden des Bundeselternrates, mag man Recht geben: Das Geld gehört eigentlich ohnehin nicht in die Elterntaschen, sondern muss umverteilt werden und so den Kindern zugute kommen: Kostenfreie Kindergärten für alle sind nötiger als ein neuer Kinderbonus auf Papis Konto.
Die Familienpolitik versucht gegenwärtig, wohlhabenden Familien den Kindersegen schmackhafter zu machen – das ist im Grunde legitim, denn in der Regel kommen aus den Familien der Leistungsträger neue Leistungsträger – Menschen, die Deutschland dringend benötigt.
Doch auch Wilfried Steinert, dem Vorsitzenden des Bundeselternrates, mag man Recht geben: Das Geld gehört eigentlich ohnehin nicht in die Elterntaschen, sondern muss umverteilt werden und so den Kindern zugute kommen: Kostenfreie Kindergärten für alle sind nötiger als ein neuer Kinderbonus auf Papis Konto.
sehpferd - am Mittwoch, 11. Januar 2006, 18:34 - Rubrik: zeit geschehen
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Mir steht es nicht zu, über das Privatleben von Frau Osthoff zu urteilen, ebenso wenig, wie es den übrigen Bundesbürgern, Europäern oder Menschen dieser Welt zusteht.
Aber: Frau Osthoff hätte sich auch still in einen Winkel dieser Welt zurückziehen können, in der sie niemand gestört hätte. Kein Mensch zwingt sie, in diesen lächerlichen Seelenshows aufzutreten – und auch die sonstigen Meinungen und Ansichten von Frau Osthoff sind so unwichtig und überflüssig wie die Meinungen über sie.
Schlimm genug, dass sich nicht irgendein Schaubunden-Fernsehen, sondern das öffentlich-rechtliche ARD herablässt, sie noch einmal vorzuführen und damit Quote zu machen: Es ist, mit Verlaub, einfach zum Kotzen – und dieses Wort nutze ich sehr selten.
Noch schlimmer aber ist das larmoyante Geblubber der Gutmenschen – hier präsentiert durch die „Frankfurter Rundschau“ und ihren Kolumnisten STEVEN GEYER, der sich bemüht, das Bild der Frau Osthoff nun in ein simples Opferbild hineinzupressen: Ach wie schön, Herr Geyer, wenn die Dinge so einfach sind: „Das Verteidungsplädoyer eines Opfers“ - wie das in den Ohren nachklingt, nicht wahr?
Haben Sie bedacht, Herr Geyer, welche Emotionen sie damit auslösen? Wenn ja - wirklich kunstvoll inszeniert. Wie eben das ganze Medienspektakel, dass um Frau Osthoff herum aufgebaut wurde, und an dem Sie nun als Gutmensch und Retter des Opfers teilhaben können – um damit zu beweisen, wie emotionsträchtig Journalismus eben auch in der FR sein kann.
Ach, noch etwas: wie schön wäre eine Recherche über die Wahrheit – aber die kennt ja keiner von uns.
Aber: Frau Osthoff hätte sich auch still in einen Winkel dieser Welt zurückziehen können, in der sie niemand gestört hätte. Kein Mensch zwingt sie, in diesen lächerlichen Seelenshows aufzutreten – und auch die sonstigen Meinungen und Ansichten von Frau Osthoff sind so unwichtig und überflüssig wie die Meinungen über sie.
Schlimm genug, dass sich nicht irgendein Schaubunden-Fernsehen, sondern das öffentlich-rechtliche ARD herablässt, sie noch einmal vorzuführen und damit Quote zu machen: Es ist, mit Verlaub, einfach zum Kotzen – und dieses Wort nutze ich sehr selten.
Noch schlimmer aber ist das larmoyante Geblubber der Gutmenschen – hier präsentiert durch die „Frankfurter Rundschau“ und ihren Kolumnisten STEVEN GEYER, der sich bemüht, das Bild der Frau Osthoff nun in ein simples Opferbild hineinzupressen: Ach wie schön, Herr Geyer, wenn die Dinge so einfach sind: „Das Verteidungsplädoyer eines Opfers“ - wie das in den Ohren nachklingt, nicht wahr?
Haben Sie bedacht, Herr Geyer, welche Emotionen sie damit auslösen? Wenn ja - wirklich kunstvoll inszeniert. Wie eben das ganze Medienspektakel, dass um Frau Osthoff herum aufgebaut wurde, und an dem Sie nun als Gutmensch und Retter des Opfers teilhaben können – um damit zu beweisen, wie emotionsträchtig Journalismus eben auch in der FR sein kann.
Ach, noch etwas: wie schön wäre eine Recherche über die Wahrheit – aber die kennt ja keiner von uns.
sehpferd - am Dienstag, 10. Januar 2006, 23:09 - Rubrik: zeit geschehen
noch nichts dazu gesagt - etwas dazu sagen
Dieses greife ich auf: „Ach, Herr Sehpferd, sie erinnern sich an Gespräche mit ihrem Klassenlehrer?“ - Ja, freilich. Aber nein, nicht an alle.
An das eine Gespräch freilich erinnere ich mich genau, in dem es um den Wert oder Unwert der klassischen Musik ging. Sehen Sie, liebe Leserinnen und Leser, dieses Gespräch – wie auch die heutige Diskussion - wäre eigentlich überflüssig gewesen – denn die meisten von uns haben nicht Musik studiert – sie wollen einfach nur hören: Das macht sie sinnlich und nachdenklich, macht sie fröhlich und bringt sie zum Weinen. Mag bei den weiblichen Feinöhrchen die Seele in anderer Tonlage schwingen als bei der Tänzerin, die vor allem ihre Hüften zum Klang der Trommel schwingen will – mir ist es herzlich gleichgültig – und den meisten anderen Menschen sicherlich auch.
Das Gespräch, das ich erwähnte, kam nur zustande, weil die Damen und Herren Kompositeure, aber auch Maler und Dichter, auf Podeste gehoben wurden und mit Goldbronze lackiert. Das wird leider auch noch heute getan – und es ist schade um die Goldbronze.
Aber ich will keinesfalls bei den Musikern verharren, sondern Ihnen von einem zweiten Gespräch berichten: Dabei ging es darum, ob man die Dinge, über die man spricht, beschreiben muss oder ob man grobklotzige Begriffe in den Raum werfen darf, die angeblich jeder gebildete Mensch versteht. Sie kennen meine Meinung: Man muss diese Begriffe meiden und dem Partner erklären, was man zu sagen hat – nur so kann man lernen, verstanden zu werden, aber auch zu verstehen. Lehrer begreifen dies oft nicht, was wirklich schade ist.
Es muss wohl etwa zehn Jahre später gewesen sein, als ich in Stuttgart einen Menschen kennen lernte, der mir erklärte, was „Gewalt“ ist. Es hätte jedes andere Wort sein können, doch ich war tief beeindruckt von der Vielfalt, in der ein Wort gebraucht werden kann, und überrascht, wie leicht man ein Wort so im Munde führen kann, dass es missbraucht wird.
Sehen Sie, so hat man seien Schlüsselerlebnisse: Der Klassenlehrer mit Namen Georgi, der sozusagen das Anti-Vorbild wurde, weil er mit der Masse ging und kein Profil zeigte, der Mathematiker Quante (er hieß tatsächlich so), der ein Genie im Erklären von Tatbeständen war und daher zum Vorbild taugte, und nicht zuletzt auch der Monokel tragende olle Gramse, der mir stets die schlechten Noten in Deutsch verpasste – der mich aber auch lehrte, dass Denken nicht an den Grenzen der Schulzimmer aufhört. Meine Deutschnote habe ich nie gebraucht, aber die Erkenntnis, dass diagonales Denken hilft, Probleme aufzufinden und zu beseitigen, hat mich dahin gebracht, wo ich heute bin.
An das eine Gespräch freilich erinnere ich mich genau, in dem es um den Wert oder Unwert der klassischen Musik ging. Sehen Sie, liebe Leserinnen und Leser, dieses Gespräch – wie auch die heutige Diskussion - wäre eigentlich überflüssig gewesen – denn die meisten von uns haben nicht Musik studiert – sie wollen einfach nur hören: Das macht sie sinnlich und nachdenklich, macht sie fröhlich und bringt sie zum Weinen. Mag bei den weiblichen Feinöhrchen die Seele in anderer Tonlage schwingen als bei der Tänzerin, die vor allem ihre Hüften zum Klang der Trommel schwingen will – mir ist es herzlich gleichgültig – und den meisten anderen Menschen sicherlich auch.
Das Gespräch, das ich erwähnte, kam nur zustande, weil die Damen und Herren Kompositeure, aber auch Maler und Dichter, auf Podeste gehoben wurden und mit Goldbronze lackiert. Das wird leider auch noch heute getan – und es ist schade um die Goldbronze.
Aber ich will keinesfalls bei den Musikern verharren, sondern Ihnen von einem zweiten Gespräch berichten: Dabei ging es darum, ob man die Dinge, über die man spricht, beschreiben muss oder ob man grobklotzige Begriffe in den Raum werfen darf, die angeblich jeder gebildete Mensch versteht. Sie kennen meine Meinung: Man muss diese Begriffe meiden und dem Partner erklären, was man zu sagen hat – nur so kann man lernen, verstanden zu werden, aber auch zu verstehen. Lehrer begreifen dies oft nicht, was wirklich schade ist.
Es muss wohl etwa zehn Jahre später gewesen sein, als ich in Stuttgart einen Menschen kennen lernte, der mir erklärte, was „Gewalt“ ist. Es hätte jedes andere Wort sein können, doch ich war tief beeindruckt von der Vielfalt, in der ein Wort gebraucht werden kann, und überrascht, wie leicht man ein Wort so im Munde führen kann, dass es missbraucht wird.
Sehen Sie, so hat man seien Schlüsselerlebnisse: Der Klassenlehrer mit Namen Georgi, der sozusagen das Anti-Vorbild wurde, weil er mit der Masse ging und kein Profil zeigte, der Mathematiker Quante (er hieß tatsächlich so), der ein Genie im Erklären von Tatbeständen war und daher zum Vorbild taugte, und nicht zuletzt auch der Monokel tragende olle Gramse, der mir stets die schlechten Noten in Deutsch verpasste – der mich aber auch lehrte, dass Denken nicht an den Grenzen der Schulzimmer aufhört. Meine Deutschnote habe ich nie gebraucht, aber die Erkenntnis, dass diagonales Denken hilft, Probleme aufzufinden und zu beseitigen, hat mich dahin gebracht, wo ich heute bin.
sehpferd - am Sonntag, 8. Januar 2006, 11:30 - Rubrik: zeit geschehen
noch nichts dazu gesagt - etwas dazu sagen
Die Morgennachrichten schlugen über mir zusammen wie ein Guss kalten Wassers: 2006 sei nicht nur das Mozartjahr, sondern zu allem Überfluss auch noch das Sigmund-Freud-Jahr. Mozart wurde 1756 geboren (wer den verklärten Mozartblick hat, lese seine aufgefrischte Biografie in „Wikipedia“). 100 Jahre später. 1856, wurde Sigmund Freud geboren. Die beiden Männer verbindet nicht das Geringste, aber ich bin sicher, dass die Tiefgründler mit den Bergamottbirnenstimmen dennoch einen entdecken.
Freud sollte man heute einmal gründlich neu überdenken: Ihn vor allem vom Ballast der Zeit und vom Wiener Schmäh zu befreien, wäre eine Anfang.
Freud sollte man heute einmal gründlich neu überdenken: Ihn vor allem vom Ballast der Zeit und vom Wiener Schmäh zu befreien, wäre eine Anfang.
sehpferd - am Sonntag, 8. Januar 2006, 10:59 - Rubrik: zeit geschehen
noch nichts dazu gesagt - etwas dazu sagen
Zu Mozart fiel mir vor allem auf, dass ein Leser deutliche Unterschiede zwischen U-Musik und E-Musik macht. Fragt sich nur, wo ich unter diesen Voraussetzungen Herrn Mozart einordnen soll, der doch zu seiner Zeit am Erfolgreichen mit der Vertonung eines Singspiels fürs Volk von einem gewissen Emanuel Schikaneder wurde.
Doch heute sagen ihnen die Leute, das sei eine Oper von Mozart gewesen. Na denn.
Doch heute sagen ihnen die Leute, das sei eine Oper von Mozart gewesen. Na denn.
sehpferd - am Sonntag, 8. Januar 2006, 10:39 - Rubrik: zeit geschehen
Einmal das, was ich zu all diesen Rückblicken sage: Dass wir immer noch "klassische" Musik hören, spricht für die Klassiker – und gegen uns. Es bedeutet nämlich auch, dass wir unserer Kultur nicht folgen, sondern sehnsuchtsvoll in eine vergangene Epoche zurückblicken, deren Zeitgeist uns im Grunde gestohlen bleiben kann – wollten sie in Mozarts Zeit leben? Ich nicht.
Dialog auf der Fahrt zu einem Schullandheimaufenthalt zwischen meinem Klassenlehrer und mir. Den Satz, den ich oben verwendete, kannte ich auch schon damals. Die Antworten sind immer die Gleichen: Ja, aber da kommt es her, ja, aber wir müssen unsere Traditionen wahren, ja, es gibt sie, die unvergängliche Musik. Und dann: Versuch es doch einmal mit Mozart. Da haben wir es: Mozart, leichter Einstieg, schwerer Abgang. Versuch es doch mal mit Mozart. Ich habe es nie mit Mozart versucht. Warum auch?
Am Ende des Jahres 2006 werden wir alle mit Mozartsüßigkeiten verklebt und mit Mozartschwere erdrückt sein. Rundfunk- und Fernsehmoderatoren werden uns diesen Mozart um die Ohren hauen, bis wir erschöpft die Austaste gefunden haben.
Sehen sie, meine Leserinnen und Leser: Alles kann zu einem abscheulichen Gedudel werden, wenn es uns ständig in die Ohren geblasen wird. Falls sie es nicht glauben: Denken sie einmal daran, was die Musiklehrer, vor allem die Fernsehleute. mit unserem Volksliedergut angestellt haben. Das war auch einmal schön. Genau wie Mozart einmal schön war. Ich bin sicher: Am Ende des Jahres ist er der Kulturbande gelungen, seine Musik uns allen zu vergällen – es sei denn, sie ignorieren alles, was sie dieses Jahr zu Mozart hören werden. Falls sie zufällig seine Musik lieben – warum gehen Sie nicht einfach in ein Konzert?
Dialog auf der Fahrt zu einem Schullandheimaufenthalt zwischen meinem Klassenlehrer und mir. Den Satz, den ich oben verwendete, kannte ich auch schon damals. Die Antworten sind immer die Gleichen: Ja, aber da kommt es her, ja, aber wir müssen unsere Traditionen wahren, ja, es gibt sie, die unvergängliche Musik. Und dann: Versuch es doch einmal mit Mozart. Da haben wir es: Mozart, leichter Einstieg, schwerer Abgang. Versuch es doch mal mit Mozart. Ich habe es nie mit Mozart versucht. Warum auch?
Am Ende des Jahres 2006 werden wir alle mit Mozartsüßigkeiten verklebt und mit Mozartschwere erdrückt sein. Rundfunk- und Fernsehmoderatoren werden uns diesen Mozart um die Ohren hauen, bis wir erschöpft die Austaste gefunden haben.
Sehen sie, meine Leserinnen und Leser: Alles kann zu einem abscheulichen Gedudel werden, wenn es uns ständig in die Ohren geblasen wird. Falls sie es nicht glauben: Denken sie einmal daran, was die Musiklehrer, vor allem die Fernsehleute. mit unserem Volksliedergut angestellt haben. Das war auch einmal schön. Genau wie Mozart einmal schön war. Ich bin sicher: Am Ende des Jahres ist er der Kulturbande gelungen, seine Musik uns allen zu vergällen – es sei denn, sie ignorieren alles, was sie dieses Jahr zu Mozart hören werden. Falls sie zufällig seine Musik lieben – warum gehen Sie nicht einfach in ein Konzert?
sehpferd - am Donnerstag, 5. Januar 2006, 11:43 - Rubrik: zeit geschehen
Am Pester Ufer der Donau, zwischen Parlament und Rooseveltplatz, steht eine Anzahl Schuhe am Ufer. Wer mit der Straßenbahn vorbeifährt, wundert sich: Schuhe? An der Donau? Sie sehen aus, als wären sie geradeswegs herausgefischt worden. Wem gehören Sie?
Sie gehören niemandem mehr, und sie sind nicht gerade herausgefischt worden. Sie sind aus Eisen und stehen hier zum Gedenken an die Juden, die an dieser Stelle ermordet wurden.

Bild: (c) 2006 by sehpferd
Sie gehören niemandem mehr, und sie sind nicht gerade herausgefischt worden. Sie sind aus Eisen und stehen hier zum Gedenken an die Juden, die an dieser Stelle ermordet wurden.

Bild: (c) 2006 by sehpferd
sehpferd - am Donnerstag, 5. Januar 2006, 11:41 - Rubrik: zeit geschehen
noch nichts dazu gesagt - etwas dazu sagen