kult und kultur
Die Aufgabe eines Chronisten besteht vor allem darin, die Zeichen der Zeit zu erkennen, unabhängig davon, was er persönlich über Personen und Ereignisse denkt.
So gesehen, ist diese Bloggerin wirklich das, was sie hier schreibt: Wort für Wort, ohne dass ich dem ein Tüpfelchen hinzufügen möchte.
Damit von vornherein keine Missverständnisse entstehen: Ich schleime weder noch bin ich polemisch. Ich meine es so, wie ich es sage.
So gesehen, ist diese Bloggerin wirklich das, was sie hier schreibt: Wort für Wort, ohne dass ich dem ein Tüpfelchen hinzufügen möchte.
Damit von vornherein keine Missverständnisse entstehen: Ich schleime weder noch bin ich polemisch. Ich meine es so, wie ich es sage.
sehpferd - am Montag, 23. Februar 2004, 20:59 - Rubrik: kult und kultur
Mir fiel bei einer schönen Betrachtung dieses auf: Wer kritisiert, hat ein Interesse an dem, was er im Augenschein hat, sonst würde er es ignorieren. Ich habe dies gerade anderwärts geschrieben: zu Gedichten einer talentierten jungen Frau, die, wie ich meine, sehr sinnlich zu dichten begonnen hat.
Doch noch etwas fiel mir auf: Die Dichterin begegnete der Kritik eines anderen Menschen so: Sie richte ihre Sätze und Worte bislang immer noch nach dem, was sie gefühlt habe. Ihr gutes Recht, so zu fühlen – doch reicht dies nicht, um gute Dichtung zu schreiben.
Nun haben wir den berühmten „Knackpunkt“ erwischt: Wer Gefühle in Worte umsetzen will, muss dies ebenso lernen wie derjenige, der ein Gefühl mit dem Pinsel auf die Leinwand bringen will. Neben Talent, so weiß jeder, der es versucht hat, braucht man Fertigkeiten, und neben Fertigkeiten auch noch sehr viel Übung. Es reicht nicht, wenn das Werk von ein paar Freunden gelobt wird, obgleich dies der Seele gut tun mag: Erst, wenn ein Gedicht oder ein Gemälde öffentlich (und sicher behutsam) kritisiert werden darf, kann die Autorin (oder der Autor) lernen.
Dieses alles habe ich heute in der Frühe geschrieben. Am Nachmittag bin ich noch einmal auf die Seite, die mir auffiel (und die ich, im Übrigen, nur empfehlen kann): Doch inzwischen hat man meinen Kommentar dort mit dem hier mittlerweile üblichen Unrat beworfen, wobei sich wieder erweist: Kritik ist hier unerwünscht. Mich freilich wird es nicht daran hindern, weiterhin zu kritisieren: Es ist ja gerade die Pflicht des liberalen Geistes, dort zu kritisieren, wo man ihm die Kritik verweigern will.
Ich empfehle, alles selber einmal in Ruhe zu lesen. Vielleicht verirrt sich eine bereits bekannte Dichterin einmal auf dieses Blog, um zu diskutieren, denn wie ich schon sagte: Talent hat diese junge Frau, und auch die Fähigkeit, Worte wohl zu setzen.
Wer mehr Schönes mag und mehr über Dichter(innen) und das schreibende Volk schlechthin wissen möchte: Findet hier ein kleines Universum.
Doch noch etwas fiel mir auf: Die Dichterin begegnete der Kritik eines anderen Menschen so: Sie richte ihre Sätze und Worte bislang immer noch nach dem, was sie gefühlt habe. Ihr gutes Recht, so zu fühlen – doch reicht dies nicht, um gute Dichtung zu schreiben.
Nun haben wir den berühmten „Knackpunkt“ erwischt: Wer Gefühle in Worte umsetzen will, muss dies ebenso lernen wie derjenige, der ein Gefühl mit dem Pinsel auf die Leinwand bringen will. Neben Talent, so weiß jeder, der es versucht hat, braucht man Fertigkeiten, und neben Fertigkeiten auch noch sehr viel Übung. Es reicht nicht, wenn das Werk von ein paar Freunden gelobt wird, obgleich dies der Seele gut tun mag: Erst, wenn ein Gedicht oder ein Gemälde öffentlich (und sicher behutsam) kritisiert werden darf, kann die Autorin (oder der Autor) lernen.
Dieses alles habe ich heute in der Frühe geschrieben. Am Nachmittag bin ich noch einmal auf die Seite, die mir auffiel (und die ich, im Übrigen, nur empfehlen kann): Doch inzwischen hat man meinen Kommentar dort mit dem hier mittlerweile üblichen Unrat beworfen, wobei sich wieder erweist: Kritik ist hier unerwünscht. Mich freilich wird es nicht daran hindern, weiterhin zu kritisieren: Es ist ja gerade die Pflicht des liberalen Geistes, dort zu kritisieren, wo man ihm die Kritik verweigern will.
Ich empfehle, alles selber einmal in Ruhe zu lesen. Vielleicht verirrt sich eine bereits bekannte Dichterin einmal auf dieses Blog, um zu diskutieren, denn wie ich schon sagte: Talent hat diese junge Frau, und auch die Fähigkeit, Worte wohl zu setzen.
Wer mehr Schönes mag und mehr über Dichter(innen) und das schreibende Volk schlechthin wissen möchte: Findet hier ein kleines Universum.
sehpferd - am Montag, 23. Februar 2004, 16:04 - Rubrik: kult und kultur
In einem Kunstlexikon wird man wohl vergeblich nach dem Kanadier Jason Kronewald suchen, und auch das Stichwort „Kaugummikunst“ dürfte dort fehlen. Denn Jason „malt“ seine Bilder durch eigenmündig erweichte Kaugummis. Er verwende, so behauptet er, keine zusätzlichen Farben, sondern mische die unterschiedlichen Geschmäcker und Farben der Kaugummis in seinem Mund – wohl bekomm’s, Mister Kronewald.
(c) 2004 by Jason Kronewald

(c) 2004 by Jason Kronewald
sehpferd - am Dienstag, 17. Februar 2004, 20:48 - Rubrik: kult und kultur
noch nichts dazu gesagt - etwas dazu sagen
Montags sind die Gazetten immer voller Moral – nein, nicht auf ihren betulichen Montagsseiten für Frauen, Nachdenkliche und Kulturfetischisten, sondern im Sport. Moral beweist, wer kämpft und vor allem, wer siegt: „Diese Moral zeigte sich in den letzten Spielen vor der Winterpause auch ganz deutlich in den Ergebnissen“ schrieb einer der Zeitschriften dieser Tage – und ähnlich triviale Sätze kann man jeden Montag in fast allen Zeitungen lesen.
Wer es noch nicht wusste: Die einzige Moral, die in Deutschland zählt, ist die Moral der kämpfenden Truppen. Und wenn es Fußballer sind.
Wer es noch nicht wusste: Die einzige Moral, die in Deutschland zählt, ist die Moral der kämpfenden Truppen. Und wenn es Fußballer sind.
sehpferd - am Montag, 16. Februar 2004, 12:11 - Rubrik: kult und kultur
noch nichts dazu gesagt - etwas dazu sagen
Nach zahlreichen Presseberichten hat kürzlich eine junge britische Studentin ihre Jungfernschaft im Internet verkauft: ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse, die daraus eine Gesichte für lechzende Voyeure machte - wie so oft ein Mittelding zwischen lüsternem Voyeurismus und erhobenem Zeigefinger. Wie auch immer: Der Erlös lag bei etwa 12.000 Euro. Da fragt sich doch, was denn die Jungfernschaft eigentlich wert ist.
Die guten Menschen des 21. Jahrhunderts werden nun gleich ihre Engelsflügelchen anlegen und sagen, das sei doch bitte kein diskutables Thema. Dann werden sie alle Register ihrer Bildung ziehen, angefangen von jüdischen Traditionen über die heiligen Sakramente bis zum bürgerlichen Wohlanstand.
Nun, früher sah man dies offenbar ganz anders. Die unverheiratete Tochter hatte einen Marktwert, weil sie Arbeitskraft beim Vater war. Blieb sie Jungfrau, waren die Heiratschancen gut – der Vater konnte einen ansehnlichen Brautpreis einheimsen. War sie es nicht mehr, standen die Chancen schlecht – so schlecht, dass der Vater den Schänder seiner Tochter verklagen konnte. Zu biblischen Zeiten immerhin auf 50 Schekel in Silber, einem heutigen Gegenwert von etwa 20.000 Euro. ( Wegen der Umrechnung bitte Anmerkung beachten).
Später, als die Bürgertöchter noch mit langen Verlobungszeiten rechnen mussten, gab manche holde Maid dem drängen ihres Verlobten auf eine Liebesnacht schon während der Verlobungszeit statt. Wurde dann doch nichts aus der Ehe, so konnte die Frau „Kranzgeld“ fordern: 1910 gewann eine Französin immerhin noch 15.000 Reichsmark, 1925 immerhin noch 1000 Goldmark. Doch der Kurs fiel rapide: 1968 wurde einer Klägerin nur noch 500 D-Mark für das frühzeitig verlustig gegangene Jungfernhäutchen geboten.
Kaum als „Verlobte“ kann man die wenig tugendhaften Engländerinnen des 19. Jahrhunderts bezeichnen, die sich das Blümchen abkaufen ließen: 10 bis 20 englische Pfund erhielt das Mädchen dafür – nach Zeitzeugenberichten etwas über dem Jahreslohn eines Dienstmädchens. Diese Sitte endete sich schnell, als die Chirurgie Fortschritte machte: Sobald es möglich war, sich mehrfach als Jungfrau zu vermarkten, sank auch das Interesse der Freier.
Quellen und Anmerkung:
Das 5. Buch Mose
Diese juristische Quelle.
Die "Pall Mall Gazette" von 1885
Die Umrechnung erfolgte nicht immer nach zuverlässigen Quellen - so wird der Gegenwert von 50 Silberschekeln mal mit 20.000 Dollar, mal mit "über 50.000" Dollar angegeben. Dabei ist wichtig, ob lediglich das Gewicht des Silbers gerechnet wurde oder die Relation zu einem Laib Brot.
Die guten Menschen des 21. Jahrhunderts werden nun gleich ihre Engelsflügelchen anlegen und sagen, das sei doch bitte kein diskutables Thema. Dann werden sie alle Register ihrer Bildung ziehen, angefangen von jüdischen Traditionen über die heiligen Sakramente bis zum bürgerlichen Wohlanstand.
Nun, früher sah man dies offenbar ganz anders. Die unverheiratete Tochter hatte einen Marktwert, weil sie Arbeitskraft beim Vater war. Blieb sie Jungfrau, waren die Heiratschancen gut – der Vater konnte einen ansehnlichen Brautpreis einheimsen. War sie es nicht mehr, standen die Chancen schlecht – so schlecht, dass der Vater den Schänder seiner Tochter verklagen konnte. Zu biblischen Zeiten immerhin auf 50 Schekel in Silber, einem heutigen Gegenwert von etwa 20.000 Euro. ( Wegen der Umrechnung bitte Anmerkung beachten).
Später, als die Bürgertöchter noch mit langen Verlobungszeiten rechnen mussten, gab manche holde Maid dem drängen ihres Verlobten auf eine Liebesnacht schon während der Verlobungszeit statt. Wurde dann doch nichts aus der Ehe, so konnte die Frau „Kranzgeld“ fordern: 1910 gewann eine Französin immerhin noch 15.000 Reichsmark, 1925 immerhin noch 1000 Goldmark. Doch der Kurs fiel rapide: 1968 wurde einer Klägerin nur noch 500 D-Mark für das frühzeitig verlustig gegangene Jungfernhäutchen geboten.
Kaum als „Verlobte“ kann man die wenig tugendhaften Engländerinnen des 19. Jahrhunderts bezeichnen, die sich das Blümchen abkaufen ließen: 10 bis 20 englische Pfund erhielt das Mädchen dafür – nach Zeitzeugenberichten etwas über dem Jahreslohn eines Dienstmädchens. Diese Sitte endete sich schnell, als die Chirurgie Fortschritte machte: Sobald es möglich war, sich mehrfach als Jungfrau zu vermarkten, sank auch das Interesse der Freier.
Quellen und Anmerkung:
Das 5. Buch Mose
Diese juristische Quelle.
Die "Pall Mall Gazette" von 1885
Die Umrechnung erfolgte nicht immer nach zuverlässigen Quellen - so wird der Gegenwert von 50 Silberschekeln mal mit 20.000 Dollar, mal mit "über 50.000" Dollar angegeben. Dabei ist wichtig, ob lediglich das Gewicht des Silbers gerechnet wurde oder die Relation zu einem Laib Brot.
sehpferd - am Freitag, 13. Februar 2004, 18:15 - Rubrik: kult und kultur
noch nichts dazu gesagt - etwas dazu sagen
Die Aufführung von „Attabambi-Pornoland - Die Reise durchs Schwein“ von Christoph Schlingensief ist nach mehreren Presseberichten vom Züricher Publikum bestenfalls „verhalten“ aufgenommen worden – Teile des Publikums reagierten hingegen eher verärgert.
Schlingensief hatte sich im Vorfeld der Aufführung bereits durch seine unerträgliche Selbstherrlichkeit bei der Schweizer Presse unbeliebt gemacht.
Schlingensief hatte sich im Vorfeld der Aufführung bereits durch seine unerträgliche Selbstherrlichkeit bei der Schweizer Presse unbeliebt gemacht.
sehpferd - am Sonntag, 8. Februar 2004, 12:08 - Rubrik: kult und kultur
noch nichts dazu gesagt - etwas dazu sagen
Im ansonsten sittenstrengen Zürich hat sich der Geschichtsprofessor Philipp Sarasin für die Prostitution interessiert und dabei Dokumente aus dem 19. Jahrhundert gesammelt, die nun im Museum Bärgasse zu Zürich ausgestellt werden.
Der Professor tritt dabei auch der Meinung entgegen, dass die Prostitution heute zugenommen habe: mindestens, wenn man die Größe der Stadt Zürich und die Möglichkeiten der Huren, für sich zu werben, in Betracht ziehen würde: Immerhin wusste die Polizei 1890 von mindestens 11 Bordellen in Zürich.
Im Schweizer „Tagblatt “ kann man mehr über die Ausstellung nachlesen.
Der Professor tritt dabei auch der Meinung entgegen, dass die Prostitution heute zugenommen habe: mindestens, wenn man die Größe der Stadt Zürich und die Möglichkeiten der Huren, für sich zu werben, in Betracht ziehen würde: Immerhin wusste die Polizei 1890 von mindestens 11 Bordellen in Zürich.
Im Schweizer „Tagblatt “ kann man mehr über die Ausstellung nachlesen.
sehpferd - am Samstag, 7. Februar 2004, 14:23 - Rubrik: kult und kultur
noch nichts dazu gesagt - etwas dazu sagen
Wie können gebildete Menschen sich darüber im Unklaren sein, was eigentlich „Pornografie“ ist und was „Erotik“? Vermutlich, weil Wörter und ihre Bedeutung nicht mehr zählen. Von den Schmuddelkindern bis zu den Zeitungsredakteuren hat sich das „Humpty-Dumpty“-Prinzip(*) eingebürgert: Jeder kann jedes Wort heißen lassen wie er will, wenn er nur genügend Macht hat.
Alsdann: Pornografie ist Schrifttum über das Leben der Huren, im erweiterten Sinne jede erdenkliche Darstellung sexueller Aktivitäten, die alleine der Steigerung der geschlechtlichen Lust dienen. Solche Formulierungen haben in vielfach abgewandelter Form auch Eingang in die Rechtsprechung gefunden.
Erotik hingegen ist eine Form sinnlicher Wahrnehmung, die in dieser Weise nur im Kopf des Betrachters entsteht: Kein anderer Mensch kann sie genau so nachvollziehen. „Erotisch“ kann in diesem Zusammenhang alles sein – eine Farbe, eine Form oder auch eine Darstellungsform der Sexualität.
Nun steht in den meisten zivilisierten Staaten im Gesetzbuch, was Pornografie ist – das bedeutet aber nicht, dass alle Menschen in gleicher Weise empfinden: Was für den einen sexuell erregend wirkt, lockt bei einem andren Menschen lediglich ein Lächeln hervor. Anders als bei der Erotik geht es aber hier nicht um eine Empfindung, sondern um eine Auffassung: Jemand meint, für ihn persönlich (laso in seiner Wahrnehmung) sei eine Abbildung, eine Skulptur oder auch eine Theateraufführung „Pornografie“. Meint dies ein Journalist, so darf man erwarten, dass er dafür eine Begründung gibt, während wir dies nicht unbedingt erwarten dürfen, wenn von „Erotik“ die Rede ist - dann weiß der Leser nämlich, dass sie der Ausdruck einer Empfindung ist.
Wo bliebt da der Sex? Oh, dies ist ein ziemlich neutrales Wort: Eine sexuelle Handlung ist eine geschlechtliche Handlung, und „sexy“ ist, wer geschlechtstypische Attribute zur Schau trägt. Die englischsprachigen Länder benutzen das Wort aber auch für „ihr oder sein Geschlecht“, wodurch die Sache noch neutraler wird. Entsprechen sagt man dort „Sexindustry“ oder „Sexworker“, und meint eine Branche oder eine Arbeit, die sich mit dem „Geschlechtlichen“ beschäftigt. Ob dies unmittelbar mit dem deutschen begriff „Sex haben“ zusammenhängt, ist dabei nicht definiert – und deshalb sind die deutschen Äquivalente „Sexbranche“ (oder ganz schlimm: “Sexindustrie“) und „Sexarbeiter(in)“ schlicht irreführend. Die deutsche Presse benutzt sie dennoch, wohl wissend, dass sie die Sprache damit in unzulässiger Weise manipuliert, doch je häufiger „Sex“ in einem Artikel vorkommt, um so mehr wird er gelesen.
* "Aus: Alice hinter den Spiegeln" engl: "Through the Looking Glass" Autor: Lewis Carroll (1832-1898, Dichter, Mathematiker und Fotograf. Erschienen 1875.
"Wenn ich ein Wort gebrauche", sagte Goggelmoggel in recht hochmütigem Ton, "dann heißt es genau, was ich für richtig halte - nicht mehr und nicht weniger."
"Es fragt sich nur", sagte Alice, "ob man Wörter einfach etwas anderes heißen lassen kann."
"Es fragt sich nur", sagte Goggelmoggel, "wer der Stärkere ist, weiter nichts."
`When I use a word,' Humpty Dumpty said in rather a scornful tone, `it means just what I choose it to mean--neither more nor less.'
`The question is,' said Alice, `whether you CAN make words mean so many different things.'
`The question is,' said Humpty Dumpty, `which is to be master-- that's all.'
Alsdann: Pornografie ist Schrifttum über das Leben der Huren, im erweiterten Sinne jede erdenkliche Darstellung sexueller Aktivitäten, die alleine der Steigerung der geschlechtlichen Lust dienen. Solche Formulierungen haben in vielfach abgewandelter Form auch Eingang in die Rechtsprechung gefunden.
Erotik hingegen ist eine Form sinnlicher Wahrnehmung, die in dieser Weise nur im Kopf des Betrachters entsteht: Kein anderer Mensch kann sie genau so nachvollziehen. „Erotisch“ kann in diesem Zusammenhang alles sein – eine Farbe, eine Form oder auch eine Darstellungsform der Sexualität.
Nun steht in den meisten zivilisierten Staaten im Gesetzbuch, was Pornografie ist – das bedeutet aber nicht, dass alle Menschen in gleicher Weise empfinden: Was für den einen sexuell erregend wirkt, lockt bei einem andren Menschen lediglich ein Lächeln hervor. Anders als bei der Erotik geht es aber hier nicht um eine Empfindung, sondern um eine Auffassung: Jemand meint, für ihn persönlich (laso in seiner Wahrnehmung) sei eine Abbildung, eine Skulptur oder auch eine Theateraufführung „Pornografie“. Meint dies ein Journalist, so darf man erwarten, dass er dafür eine Begründung gibt, während wir dies nicht unbedingt erwarten dürfen, wenn von „Erotik“ die Rede ist - dann weiß der Leser nämlich, dass sie der Ausdruck einer Empfindung ist.
Wo bliebt da der Sex? Oh, dies ist ein ziemlich neutrales Wort: Eine sexuelle Handlung ist eine geschlechtliche Handlung, und „sexy“ ist, wer geschlechtstypische Attribute zur Schau trägt. Die englischsprachigen Länder benutzen das Wort aber auch für „ihr oder sein Geschlecht“, wodurch die Sache noch neutraler wird. Entsprechen sagt man dort „Sexindustry“ oder „Sexworker“, und meint eine Branche oder eine Arbeit, die sich mit dem „Geschlechtlichen“ beschäftigt. Ob dies unmittelbar mit dem deutschen begriff „Sex haben“ zusammenhängt, ist dabei nicht definiert – und deshalb sind die deutschen Äquivalente „Sexbranche“ (oder ganz schlimm: “Sexindustrie“) und „Sexarbeiter(in)“ schlicht irreführend. Die deutsche Presse benutzt sie dennoch, wohl wissend, dass sie die Sprache damit in unzulässiger Weise manipuliert, doch je häufiger „Sex“ in einem Artikel vorkommt, um so mehr wird er gelesen.
* "Aus: Alice hinter den Spiegeln" engl: "Through the Looking Glass" Autor: Lewis Carroll (1832-1898, Dichter, Mathematiker und Fotograf. Erschienen 1875.
"Wenn ich ein Wort gebrauche", sagte Goggelmoggel in recht hochmütigem Ton, "dann heißt es genau, was ich für richtig halte - nicht mehr und nicht weniger."
"Es fragt sich nur", sagte Alice, "ob man Wörter einfach etwas anderes heißen lassen kann."
"Es fragt sich nur", sagte Goggelmoggel, "wer der Stärkere ist, weiter nichts."
`When I use a word,' Humpty Dumpty said in rather a scornful tone, `it means just what I choose it to mean--neither more nor less.'
`The question is,' said Alice, `whether you CAN make words mean so many different things.'
`The question is,' said Humpty Dumpty, `which is to be master-- that's all.'
sehpferd - am Freitag, 6. Februar 2004, 18:16 - Rubrik: kult und kultur
Wenn jemand behauptet, die Körpersprache eines anderen sofort zu verstehen, regt sich in mir das Misstrauen – genau diese Fähigkeit nämlich ist dem Menschen während der Evolution zu einem großen Teil verloren gegangen. Das Merkwürdige aber ist: Diejenigen, die sich tatsächlich mit der Körpersprache auskennen, wissen es oft nicht: Sie verlassen sich darauf, natürliche Einsichten oder übernatürliche Kräfte zu besitzen.
Nun, da lehnt sich also eine etwas angejahrte Dame in einem Chat weit aus dem Fenster und prahlt damit, man könne einem „absoluten Anfänger in der SM-Szenerie zwei Kilo „dranhängen“ und mit dem Rohrstock verdreschen, sodass er „fliegen“ würde und sich später an nichts erinnere: „Am Schluss wusste er gar nicht, wie die Striemen auf seinen Hintern kamen“.
Nun sind die meisten SM-Chatter einfühlsame Wesen, und so gab es denn Widerspruch – doch die Dame ließ keine Argumente gelten: Der Mann überrumpelt? Er kam doch freiwillig. Die zwei Kilo wohl etwas eigenartig? Er wollte es doch.
Nun setzt „wollen“ einen freien Willen voraus – hatte denn der Herr noch alle Sinne beieinander? Wie verständigte sich die Dame denn bitte mit einem Herrn, der offenbar während der Prozedur nicht mehr bei Sinnen war? Doch das alles interessierte die resolut und vorlaut auftretende Dame nicht im Geringsten, vielmehr prahlte sie nun damit, sie „würde schließlich die Körpersprache verstehen wie keine andere – Körper würden ihr alles erzählen“ und ihm einfach geben, was sein Körper ihr verriete. Über Liebe will sie schon gar nicht reden – und über Sex auch nicht. „Fliegen“ so sagt sie, sei doch das Ziel der Sache – wer bei so etwas an Sex denken würde, käme nie dahin. (Fliegen = Rauschzustand, verursacht durch körpereigene Endorphine).
Irgendwo scheinen meine Mitmenschen nicht mehr bei Trost zu sein: Natürlich ist es in Ordnung, einem Menschen die Lust zu gönnen, die er will, aber es ist nicht in Ordnung, jemandem der nicht bei freiem Willen ist, etwas zu geben, von dem man nicht weiß, ob er es wirklich will.
Hinzu kommt noch eines: Was, wenn morgen eine Dame auftaucht, die voller krimineller Energien ist und dergleichen für echte Erpressungen oder noch schlimmere Dinge nutzt? Männer, seid auf der Hut: Auch vom schöneren Geschlecht drohen Gefahren.
Meine Quelle verschweige ich in diesem Fall - ich bitte dafür um Verständnis.
Nun, da lehnt sich also eine etwas angejahrte Dame in einem Chat weit aus dem Fenster und prahlt damit, man könne einem „absoluten Anfänger in der SM-Szenerie zwei Kilo „dranhängen“ und mit dem Rohrstock verdreschen, sodass er „fliegen“ würde und sich später an nichts erinnere: „Am Schluss wusste er gar nicht, wie die Striemen auf seinen Hintern kamen“.
Nun sind die meisten SM-Chatter einfühlsame Wesen, und so gab es denn Widerspruch – doch die Dame ließ keine Argumente gelten: Der Mann überrumpelt? Er kam doch freiwillig. Die zwei Kilo wohl etwas eigenartig? Er wollte es doch.
Nun setzt „wollen“ einen freien Willen voraus – hatte denn der Herr noch alle Sinne beieinander? Wie verständigte sich die Dame denn bitte mit einem Herrn, der offenbar während der Prozedur nicht mehr bei Sinnen war? Doch das alles interessierte die resolut und vorlaut auftretende Dame nicht im Geringsten, vielmehr prahlte sie nun damit, sie „würde schließlich die Körpersprache verstehen wie keine andere – Körper würden ihr alles erzählen“ und ihm einfach geben, was sein Körper ihr verriete. Über Liebe will sie schon gar nicht reden – und über Sex auch nicht. „Fliegen“ so sagt sie, sei doch das Ziel der Sache – wer bei so etwas an Sex denken würde, käme nie dahin. (Fliegen = Rauschzustand, verursacht durch körpereigene Endorphine).
Irgendwo scheinen meine Mitmenschen nicht mehr bei Trost zu sein: Natürlich ist es in Ordnung, einem Menschen die Lust zu gönnen, die er will, aber es ist nicht in Ordnung, jemandem der nicht bei freiem Willen ist, etwas zu geben, von dem man nicht weiß, ob er es wirklich will.
Hinzu kommt noch eines: Was, wenn morgen eine Dame auftaucht, die voller krimineller Energien ist und dergleichen für echte Erpressungen oder noch schlimmere Dinge nutzt? Männer, seid auf der Hut: Auch vom schöneren Geschlecht drohen Gefahren.
Meine Quelle verschweige ich in diesem Fall - ich bitte dafür um Verständnis.
sehpferd - am Montag, 2. Februar 2004, 19:12 - Rubrik: kult und kultur
noch nichts dazu gesagt - etwas dazu sagen
Wenn die Moral aus Kultur und Gesellschaft kommt, dann muss untersucht werden, welche Strömungen hier und anderwärts dafür bestimmend sind. Wobei eines deutlich wird: wir haben in der Schule etwas von Germanentum und Griechentum gehört, so lange, bis uns die Germanen und Griechen aus den Ohren heraus gekommen sind – aber haben wir etwas davon verstanden? Ich denke, ehe wenig, zumal unsere Kultur auch unter starkem römischen Einfluss stand – etwas, das von Geschichtslehrern gerne übersehen wird, weil die Römer doch angeblich so einen schlechten Einfluss auf die Moral hatten.
Wer heute über moralische Fragen diskutiert, bekommt zuerst das Christentum um die Ohren gehauen – so, als ob die Religion bereits eine Kultur ausmache, doch dann wird korrigiert: die „Abendländische“ Kultur eben. Doch auch das ist nur eine Bezeichnung, die sie von der „morgenländischen“ abgrenzt. Menschen, die sich etwas Bildung angekleistert haben, sagen ohnehin in letzter Zeit unsere „christlich-jüdisch geprägte abendländische Kultur“. Klingt gut, stimmt aber ebenso wenig, denn wenngleich jüdische und christliche Menschen namhaft an der Kultur beteiligt waren, gibt es doch keinen ausschließlichen Bezug zu deren Religionen.
Ist das Unternehmen also aussichtslos? Werden wir nie begreifen, was unsere Moral ausmacht? Könnten wir nicht einen anderen Ausgangspunkt suchen, eine andere Sichtweise verwenden?
Eines könnten wir in jedem Fall tun: uns auf die Grundlagen des Menschseins besinnen. Wie lebten wir, als wir noch in Horden durch die Steppen zogen? Welche Moral galt dort? Was geschah, als wir uns in kleinen Dorfgemeinschaften niederließen? Damals musste sich die Moral geändert haben: was weiß man darüber? Und welche Auswirkungen hatten die Begegnungen der Kulturen? Wir wissen, dass der biblische Moses die Kultur und Moral seines Volkes mit Klauen und Zähnen gegen die (wenigstens vordergründig) wesentlich attraktiveren Kulturen anderer Völker verteidigte. Aber welche Zeugnisse aus jenen Tagen gibt es noch?
Sicher, meine Gedanken sind noch höchst unfrisiert – aber ich denke, wir müssen zurück zu den Wurzeln, wenn wir eine neue Moral wollen. Was meint ihr?
Wer heute über moralische Fragen diskutiert, bekommt zuerst das Christentum um die Ohren gehauen – so, als ob die Religion bereits eine Kultur ausmache, doch dann wird korrigiert: die „Abendländische“ Kultur eben. Doch auch das ist nur eine Bezeichnung, die sie von der „morgenländischen“ abgrenzt. Menschen, die sich etwas Bildung angekleistert haben, sagen ohnehin in letzter Zeit unsere „christlich-jüdisch geprägte abendländische Kultur“. Klingt gut, stimmt aber ebenso wenig, denn wenngleich jüdische und christliche Menschen namhaft an der Kultur beteiligt waren, gibt es doch keinen ausschließlichen Bezug zu deren Religionen.
Ist das Unternehmen also aussichtslos? Werden wir nie begreifen, was unsere Moral ausmacht? Könnten wir nicht einen anderen Ausgangspunkt suchen, eine andere Sichtweise verwenden?
Eines könnten wir in jedem Fall tun: uns auf die Grundlagen des Menschseins besinnen. Wie lebten wir, als wir noch in Horden durch die Steppen zogen? Welche Moral galt dort? Was geschah, als wir uns in kleinen Dorfgemeinschaften niederließen? Damals musste sich die Moral geändert haben: was weiß man darüber? Und welche Auswirkungen hatten die Begegnungen der Kulturen? Wir wissen, dass der biblische Moses die Kultur und Moral seines Volkes mit Klauen und Zähnen gegen die (wenigstens vordergründig) wesentlich attraktiveren Kulturen anderer Völker verteidigte. Aber welche Zeugnisse aus jenen Tagen gibt es noch?
Sicher, meine Gedanken sind noch höchst unfrisiert – aber ich denke, wir müssen zurück zu den Wurzeln, wenn wir eine neue Moral wollen. Was meint ihr?
sehpferd - am Donnerstag, 29. Januar 2004, 09:20 - Rubrik: kult und kultur
noch nichts dazu gesagt - etwas dazu sagen