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Manchmal erhält man merkwürdige Zugriffe: Seit einiger Zeit wird bei Google offenbar nach „Berührerinnen“ gesucht. Nun, das ist ein Schweizer Ausdruck, der in Deutsch „Sexualbegleiterin“ heißt. Er bezeichnet eine Frau, die dazu ausgebildet wurde, mit Behinderten Sexualität auszuleben.

Eine der Frauen, die dieser Arbeit nachgehen, ist die 50-jährige Sozialpädagogin Heidi Suter, die sich anlässlich der Diskussion über Berührerinnen in der Schweizer Bevölkerung allerdings knallhart ausdrückt: „Es ist mir eigentlich egal, welche Berufsbezeichnung sie wählen. Ich biete sexuellen Kontakt gegen Geld, also bin ich eine Prostituierte“.

In der Schweiz gibt es zum Thema der Berührerinnen eine teils heftig ausgeführte Kontroverse, die sich von den Berufsmoralisten bis hin zu den Behinderten selbst durchzieht. So mutmaßte kürzlich ein Behindertenvertreter, dass die Einführung von Berührerinnen in die Projektarbeit mit Behinderten nicht den Bedürfnissen der Behinderten diene, sondern den Bedürfnissen der Betreuungsindustrie.

Wenn es irgendwo eine große Hochzeit gibt, dann feiert man fröhlich mit in- und ausländischen Gästen, schenkt Geld und vielleicht auch ein Satellitenradio, wenn diese Hochzeit dann eben in der Wüste stattfindet.

So wird es wohl gewesen sein, und dann hat man sich gefreut und in die Luft geschossen, wie es unter Arabern (und nicht nur dort) bisweilen üblich ist.

In der konservativ gefilterten Presse liest sich das dann wie eine konspirative Verschwörung: „US-Soldaten hätten eine große Geldsumme, syrische Pässe und Satelliten gestützte Kommunikationsgeräte gefunden.“ Immerhin gab es andere Quellen, die davon sprachen, dass im Hochzeitshaus „zwei Millionen irakische Dinar, ein ausländischer Ausweis sowie ein Satellitenradio gefunden“ worden sei. Zwei Millionen irakische Dinar entsprechen knapp 1200 Euro. Möglicherweise ist das „viel Geld“ für einen Iraker, der gerade einen Hausstand einrichtet. Aber wieso macht die dpa oder t-online daraus eine „große Geldsumme“, sodass dem Leser suggeriert wird, es handele sich sicherlich um mehr als ein Hochzeitsgeschenk? Afp (via Koeln.de), die französische Presseagentur, wusste es jedenfalls anders.

In unserer Presse, so frei sie auch sein mag, wird merkwürdigerweise immer nur über die „Kampfhandlungen“ berichtet. Selbst „Der Spiegel“ bettet den Angriff einfach in einen Bericht über die „täglichen Kampfhandlungen“ ein. Die sinnlos zerfetzten Leiber von 40 Menschen, die noch kurz zuvor voller Hoffnung auf eine bessere Zukunft waren, rühren, wie es scheint, niemandem mehr.

Der Bundesgerichtshof versucht derzeit die Frage zu klären, welche rechtliche Bedeutung die Einwilligung des Partners bei einer BDSM-Szenerie hat. Im strittigen Fall geht es um einen 60-Jährigen, der seine Partnerin bei einem Sex-„Spiel“ mit einem Metallrohr erwürgt hat.

Selbstverständlich ist dies nicht nur eine juristische Frage, sondern in der Tat auch eine Frage der Moral. Extrem-BDSM ist nicht einfach eine harmlose Spielart natürlicher Bedürfnisse, sondern kann eben auch zu unbeabsichtigtem Leid, zu Verstümmelungen oder zum Tode führen.

Es ist an der Zeit, unvoreingenommen darüber zu diskutieren – möglichst ohne Talar oder schwarzes Latexkleid.

Warum berichten eigentlich so viele Blogger über Nick Berg? Aus einem einzigen Grund: Weil man dadurch Zugriffe bekommt, die einem gar nicht zustehen, weil man nichts zu berichten weiß, außer in irgendeiner Form betroffen zu sein. Das reicht aber nicht.

Entweder, man hat etwas zu sagen, dann schreibt man, oder man hat nichts zu sagen, dann sollte man die Finger von den Tasten lassen.

Woher ich weiß, wie astronomisch die Zahlen steigen, wenn man über dieses abscheuliche Ereignis schreibt? Von Lycos. Auch Nico von „Noch’ Blog“ will eigentlich nur darauf hinweisen, was derzeit die Surfer umtreibt – und das es barbarisch ist, den Film Mal um Mal sehen zu wollen. Sein Titel freilich „Nick Berg Enthauptung unzensiert Video Folter Irak Foto“ erreicht das gegenteilige Ziel: Zugriffe über Zugriffe auf seiner Seite.

Ich könnte jetzt beschuldigt werden, in die gleiche Kerbe zu schlagen, ich weiß. Aber ich sehe mir das Video nicht an. Nicht im Fernsehen, nicht im Web und auch sonst nirgendwo, und ich trage auch nicht zu dessen Verbreitung bei.

Ein Kind fragt „Warum?“ weil es eine Antwort von einem Erwachsenen erwartet, der um die Hintergründe weiß und sie erklären kann. Doch der Erwachsene selbst sollte stets nach dem „Wie?“ fragen und sich nicht darauf verlassen, dass es irgendwo eine Instanz gibt, aus der Antworten wie Manna vom Himmel fallen.

Was ergibt sich daraus? Das „Warum“? Ist eine Frage der zurückgewandten Grübler. Sie werden ihre Antwort finden, doch nicht glücklich dabei werden. Das „Wie“ ist eine Herausforderung an die kühnen Forscher, die durch eigene Kraft verstehen wollen und dabei wenigstens den Gewinn an Wissen einstreichen. Sie werden vielleicht auch nicht glücklich, aber sie gehen wenigstens nach vorn statt zurück.

Wie ich darauf komme? Weil ich kürzlich mit den üblichen Sprechblasen konfrontiert wurde: Kommunikation, Transparenz, Zufriedenheit. Das haben wir mittlerweile alle gehört, und die Frage nach dem “Warum” findet die üblichen beliebigen Antworten. Fragt man aber nach dem „Wie“? Dann sieht man, wie die Augen wandern: Ja, wie eigentlich?

In den letzten Tagen hatte ich wechselnde Eindrücke: Seminar, Alltag, Schriftstellerei und dann und wann auch mal einen Blog-Blick. Was mir auffiele? Wie alle haben inzwischen gelernt, in Plattheiten zu denken, inhaltslose Sätze zu sagen und zu schreiben.

Da reden wir über „das positive“ Denken, ohne uns über das „Positive“ klar zu werden, vergessen, dass der Wettstreit der Gedanken dazu gehört. Etwa am gleichen Tag redete der deutsche Bundespräsident über Moral und Tugenden, und er wusste, was er sagte – doch morgen werden es unsere Pappfiguren überall nachplappern – Menschen, die solche Worte gedankenlos in den Mund nehmen: Sie werden über den Werteverfall reden, ohne je einen Wert definiert zu haben. Da fordern die Christenparteien in Europa einen „eindeutigen“ Gottesbezug in der Verfassung – doch sie verweigern die Diskussion darüber, was Gott bedeutet.

Wir haben verlernt, dem Wort eine Bedeutung zuzumessen. Die Genesis sagt klar: Am Anfang war das Wort. Sie sagt nicht: Am Anfang war das Geschwätz. Manchmal hilf es, die Werke der Andersgläubigen zu lesen: Bei mir ist es die Bibel.

Wenn wir überhaupt wieder etwas erreichen wollen, müssen wir uns vor allem darüber klar werden, über was wir eigentlich reden. Das Positive? Die Tugenden? Die Moral? Dass ich nicht lache. Genauer, bitte: Viel, viel genauer.

Warum suchen eigentlich derzeit so viel Leute im Internet nach Rosemarie Nittribits Grabstein? Ich habe einmal einen späten Nachruf auf sie geschrieben, und darin ein Bild veröffentlicht. Die Inschrift ist Legende:

Nichts Besseres darin ist, denn fröhlich sein im Leben.

nitribitt rosemarie grabstein

copyright: Unknown

Aber das ist nicht copyright unknown, sonder copyright google-werbung:

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Immer, wenn ich lese, wie Männer ihre Ex-Frauen, Ex-Geliebten oder auch nur Ex-Beischläferinnen verdammen, muss ich ein wenig lächeln, und so auch heute beim Durchblättern der neuen Blog-Einträge. Doch vergeht mir das Lächeln, wenn ich mich in die Rolle jener hineinversetze, deren Leben hier zerfetzt wird.

Ich verstehe, dass der Schmerz oft tiefe Wunden in die Wahrnehmung schlägt, und ich kann gut verstehen, dass man manchen Ex-Partner in die Hölle oder noch einen schlimmeren Ort wünscht.

Aber muss man dann in seinem Blog selbstgefällig urteilen, dass der Partner sein Leben falsch führt? Muss man ihn ständig vorführen, in Quasi einer Öffentlichkeit präsentieren wie ein Tier im Zoo? Ich meine: Nein. In der Öffentlichkeit sollten wir respektvoll über diejenigen reden, mit denen wir einmal Tisch und Bett geteilt haben.

Dass es unter der Gürtellinie Kriterien für die Liebe gibt, war mir ja geläufig, neu ist, dass sie nur dort bekannt gegeben werden.

Nur für Männer und nur über 185 cm, dafür aber hier.

Die Diskussion darüber, welche Kleidung man zur Schule tragen sollte, ist europaweit entbrannt. Auf der einen Seite stehen die Lehrkräfte, die vor allem extrem erotisch wirkende Kleidungsstücke bei Mädchen verbieten wollen, auf der anderen Seite die Schüler und ihre Vertretungen, die sich die freie Wahl der Kleidung nicht nehmen lassen wollen. Gestritten wird mit aufgebauschten Scheinargumenten: „Die Freiheit des einen, sich so zu kleiden, wie es ihm gefällt, endet dort, wo sich der andere gestört oder belästigt fühlt“ sagen die einen, „die Freiheit des einen endet, wo die Freiheit des anderen beschnitten wird,“ die anderen.

Freilich gibt es ganz andere Argumente: Die Schule soll dazu erziehen, sich auf das Leben vorzubereiten, und dazu gehört auch die Bekleidung, von Leger bis elegant, von unauffällig bis aufreizend – alles zu den Anlässen, zu denen es angebracht ist – und deshalb hat die Schule hier durchaus einen Erziehungsauftrag.

Statt sich auf die Freiheit zu berufen, könnte man ja einmal ein wenig Demokratie wagen: Lehrer, Eltern und Schüler sollten sich zusammensetzen, um zu beraten, was getragen werden kann, so, dass die Freiheit der Schüler gewahrt bleibt und ein ordentlicher Lehrbetrieb dennoch möglich ist. Dies hätte auch einen pädagogischen Aspekt: Die Schüler würden lernen, den Unterschied zwischen Liberalismus und Demokratie zu begreifen und dabei auch noch die Erfahrung machen, dass im Leben Kompromisse nötig sind.

Eine andere Möglichkeit wäre freilich, Schuluniformen einzuführen. Dies hat sich in England und einigen anderen Ländern hervorragend bewährt. Die Probleme, die es dort gibt, muten vergleichsweise gering an: Die Unterwäsche ist nicht vorgeschrieben, und zahlreiche englische Schuldirektoren führen seit einiger Zeit einen erbitterten Kampf gegen Tangas.

Freilich ist das Bekleidungsthema nur eines von vielen. Wir erwarten, dass die Schule junge Menschen zu Freiheit und Demokratie in Verantwortung vor sich selbst und anderen erzieht. Davon kann kaum noch die Rede sein, doch es sind nicht die Lehrer, die an den Pranger gehören, sondern die Elternhäuser, die lauter kleine ICH-AG-Aspiranten bei der Schule abliefern.

Gelesen aufgrund des Hinweises eines hier anässigen Bloggers bei ORF.

 

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