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aufgegriffen

Der November hat Einzug in die Hirne gehalten. Die grauen Nebel legen sich tief in die verborgenen Falten der Gefühle. Verborgenes bricht wieder auf, ein Hauch von Melancholie. Die Tage sind zu dunkel, die Farben zu fahl, die Menschen zu blass.

Wehe denen, die sich dieser Tage getrennt haben – Novembertrennungen haben die Tendenz, endgültig zu sein. Wen es trifft, der tut gut daran, die Brücken hinter sich zu verbrennen, in sich zu gehen. Er hat einen Trost: Der nächste Frühling wird umso heftiger in sein Hirn hereindrängen und ihn vielleicht wieder auf die rosa Wölkchen heben, von denen der Herbst ihn verdrängt hat.

Diejenigen, deren Liebe ein weiteres Jahr hält, rücken enger zusammen, fassen sich oft still bei den Händen. Sie haben es geschafft. In Ländern, in denen es üblich ist, dass junge Menschen eigene Wohnungen haben, wird sich jetzt eingerichtet: Die Höhle für den Winter muss rechtzeitig fertig werden, um das Weihnachten zu zweit zu spielen. Wer in einem Land lebt, in dem man die Sommerliebe auf der Straße oder im Park gelebt hat, muss sich jetzt Schlupflöcher für die Liebe suchen.

Mancher, der sonst nur Nussmischungen kauft, setzt sich nun hin und knackt wahrhaftig Walnüsse. Nur, wer sie zerbricht, entdeckt, wie schön sie sind, innen und außen. Man zündet schon mal eine Kerze an, schält Mandarinen, spritz das Öl aus der Schale gegen die Flamme und genießt den Geruch. Sinnliches kann, wer es will, auch alleine erleben.

Es ist noch lang bis zu den Wihen Nachten, aber sie müssen erst einmal vorbei sein, bevor die Lust wieder in die Hirne dringt. Dessous schenken ist nicht alles – sie wollen auch getragen werden. Der Winter ist die Zeit der erotischen Fantasien, der verborgenen Liebesspiele. Die Geliebte könnte einen Pelz tragen und nur die Dessous darunter – das zu tun, würde ihr schwer fallen, wenn die Temperaturen hochsommerlich wären, denn der Pelz muss lange getragen werden, wenn das Spiel gelingen soll.

Manchmal machen auch Kerzen einfach sinnlich – vor allem zusammen mit einer Portion sorgfältig in anderen Getränken verborgenen guten Rums. Winterverführungen stehen immer in Verdacht, ein wenig willkürlich zu sein.

Irgendwann aber hört das Spiel mit der Lust wieder auf. Bis zum Frühling ist es zwar noch weit, aber gegen Februar kündigen die Topfpflanzen schon wieder an, dass sie wachsen werden. Erste Anzeichen dafür, dass bald auch in den Hirnen wieder Frühling wird. Dann enden die Spiele, und die Liebe wird wieder ans Begehren gekoppelt: Die animalische Urnatur nimmt wieder den Platz ein, der ihr gebührt.

Eine meiner Leserinnen fragte mich, „wie viel müsste man Laufen, wenn man jeden Tag ein paar Schuhe bekäme? Nun, wie jeder weiß, denke ich über alles nach, was meine Leserinnen so schreiben, und hier sind nun meine ultimativen Antworten:

1. Schuhfetischistin kaufte sich die Schuhe selbst und mag Sex

Den besten Liebhaber zu sich bestellen, den man gerade zur Verfügung hat. Ihn in Dessous und Schuhen bereits im Schlafzimmer empfangen. Mit Schuhen ins Bett gehen und bei der Liebe anbehalten. Erforderliche Schritte: keine. Vor dem Einschlafen Schuhe ausziehen.

2. Schuhfetischist schenkt die Schuhe

Vollständig angezogen sein, etwa wie zum Ausgehen auf einen Opernball. Den Herrn vor dem Sofa bekleidet drapieren und dort die zeremoniellen Schuhputztätigkeiten verrichten lassen (Absatz nicht vergessen). Den Schuhfetischisten auf die Toilette schicken und nach seiner dortigen Beschäftigung sofort verabschieden. Nötige Schritte: vom Sofa bis zur Tür – schätzungsweise zehn. Dann Schuhe sofort ausziehen.

3. Schuhfetischistin ist nicht an Menschen interessiert

Karton auspacken. Schuhe auf den Nachttisch stellen. Geräte bereitstellen, parfümieren und aufs Bett legen und den Dingen ihren Lauf lassen. Schritte: keine.

4. Schuhfetischistin ist weder an Sex noch an Menschen interessiert

Schuhe auspacken. In die Vitrine zu den Übrigen legen und anschmachten. Sich vorstellen man wäre ein Fuß. Hände stets gefaltet lassen. Schritte: Null.

5. Schuhfetischistin will in Schuhen tatsächlich ausgehen

Schuhe auspacken und ins Auto legen. Kurzen Rock anziehen und mit den im letzten Moment angezogenen Schuhen in eine Bar gehen, in der es eine gute Sicht auf die Barhocker gibt. Annäherungsversuchen von Frauen und Männern zulassen, solange man nicht aufstehen muss. Nicht zu viel trinken, um keine Toilettenbesuche zu provozieren. Ende offen halten, solange keine Wege über fünfzig Meter zu Fuß zurückzulegen sind, in Verführungen einwilligen, wenn die sonstigen Umstände es erlauben. Benötigte Schritte: etwa 100, je nach Entfernung zum Parkplatz.

So langsam denke auch ich an Weihnachten. Nein, nein, die Kalauer kommen dieses Jahr nicht mehr: ich verspreche es. Kein Chris de Rädda, kein erwachendes Engelein Kor, kein Owi, der lacht.

Ein Adventskalender? Hatte ich schon, kam aber nicht gut an. Vielleicht wäre es besser, jeden Tag ein schönes Teilchen zu zeigen, das auf weiblicher Haut zu tragen. Damit spreche ich freilich nur die großzügigen Herren an, und derartige Herren Bloggen in der Regel kaum, sondern genießen schweigend die Folgen ihres generösen Handelns.

Bleiben noch die Damen. Freilich interessieren auch sie sich für Dessous, schon allein, weil sich die Herren dafür interessieren. Doch noch mehr interessieren sie Schuhe. Was wäre, wenn ich jeden Tag ein paar Schuhe brächte? Nun, dann würden die Twoday-Philosophen mir wahrscheinlicher einer krankhaften Neigung vorwerfen, selbst dann, wenn ich keine reifen Aprikosen zeigen würde, die von Absatz oder Sohle zerquetscht werden. .

Nun da liegt der Gedanke an weihnachtliche Bräuche nicht mehr fern. Es riecht ja jetzt schon nach Äpfeln und Nüssen. Vielleicht fange ich mal an, etwas über Nüsse zu schreiben. Es war ja gerade Erntezeit.

Wenn ich die deutsche (und leider auch die schweizerische und österreichische) Presse lese, kommt mit immer wieder ein Unwort unter: der Ostblock.

Ja, der Ostblock – der war groß, und man brauchte sich deshalb als Redakteur keine Gedanken zu machen, ob es nicht auch dort unterschiedliche Kulturen gäbe – von der Geographie einmal ganz abgesehen.

Mancher Zeitungsschreiber macht es sich immer noch leicht: Statt „der Ostblock“ wird dann eben „der ehemalige Ostblock“ geschrieben. Wie es scheint, sind nicht nur Bürgerhirne zugelötet – auch Redakteure denken oft nicht nach, bevor sie schreiben.

Also: „der ehemalige Ostblock“ ist zulässig im Sinne von „zu Zeiten des Ostblocks“. Wer hingegen die heutige Zeit beschreibt, muss schon sagen, in welchem Land etwas geschieht und aus welchem Land jemand kommt: Ungarn ist nicht Rumänien, und Polen nicht die Ukraine.

Manchmal beschäftige ich mich ja schon mit merkwürdigen Dingen. Zum Beispiel mit den Öhrchen der Audiophylen, die glauben, dass in PVC gepresste Schallrillen musikalisch wertvoller sind als die schnöde digitale Beschreibung derselben Töne. Natürlich nicht physikalisch – gehörmäßig eben.

Bei so viel Hörvermögen erstaunt, dass die Damen und Herren Sammler normalerweise nicht einmal wissen, woraus ihre Platten bestehen – aus PVC nämlich, und selbst, wenn ich jetzt verlacht werde: PVC altert – nicht nur das weiche in Kabeln und Schläuchen, sondern auch das harte in Fußbodenbelägen und Schallplatten. Was sagte doch einst der Kenner: Sie würden aus einer Mischung von PVC, Wachs (als Gleitmittel), Ruß und noch ein paar Hilfsstoffen hergestellt.

Nur: Alles, was im PVC drin ist, altert auch, wandert eventuell aus und verändert damit die Konsistenz des Materials über die Jahre – und das bei den winzigen Rillchen, die angeblich 20.000 Schwingungen enthalten können?

Ich denke, eines ist sicher: Vinyl-Liebhabern wird die Hucke voll gelogen über den Zustand „ladenfrisch“, wenn eine Schallplatte 40 Jahre alt ist (ja, ja, so alt sind die Dinger schon) – und auch darüber, wie die Frequenzbänder nicht theoretisch, sondern tatsächlich sind, nämlich deutlich niedriger.

Nun, was meinen die Gelehrten?

„Nerve“ hat die üblichen Umfragen über Sex und Politik verulkt. Schmunzeln ist angesagt, vor allem, wenn gefragt wird, welches Paar aus Amerikas Politikerelite das beste Sexleben hat (in der Ehe, Leute, in der Ehe!). Einige Fragen öffnen sich nur dem Amerikakundigen. Die Frage danach, welche der Minderheitengruppen vielleicht einmal einen Präsidenten stellen könnte, dürften alle verstehen.

Demnach glauben 39 Prozent der Nerve-Leser (zumeist sehr liberale Wähler) dass eine Frau durchaus Chancen hätte, auf den Präsidentenposten gewählt zu werden. Immerhin noch 26 Prozent glauben, dass es einmal ein Schwarzer sein könnte, dicht gefolgt von einer „unverheirateten“ Person.

An einen Atheisten als Präsidenten glaubt hingegen fast niemand: magere 3 Prozent halten es noch für möglich, aber dass jemals ein schwuler Präsident der Vereinigten Staaten von Nordamerika wird, glaubt nicht einmal ein Prozent der Nerve-Leser.

Irgendwann habe ich mich einmal beim Schopf gepackt und mir gesagt: Höre auf mit der sich immer weiter öffnenden Spalte zwischen dem, was du vielleicht gerne tun möchtest und dem, was du wirklich gut kannst. Damals habe ich noch Manfred Hausin zitiert, dessen kurzes Gesicht „Schulfreund“ mich fasziniert hat: „Er hat Karriere gemacht – und ich mir Gedanken“. Es ist lange her: so an die 35 Jahre.

Als ich mein Leben soweit in Ordnung gebracht hatte dünnten sich die Freunde aus: Ich wäre, so sagten sie, so merkwürdig geworden, seit ich „Karriere“ gemacht hätte. Sie bestand, wie ich schon andeutete, darin, endlich einen Job zu haben, in dem ich meine Fähigkeiten einsetzen konnte und nicht meine Wünsche verwirklichen wollte. Ansonsten war es eine ganz gewöhnliche Stelle in einer zugegebenermaßen hervorragenden Firma.

Heute mag ich vielen Menschen raten, es doch einmal so zu versuchen: Sich auf die eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten zu besinnen – der so genannte „erlernte Beruf“ kann dabei hilfreich sein, und dennoch kann ebenso auch ein neues Berufsfeld den Erfolg bringen.

Wer „Karriere“ macht, muss die Gedanken keinesfalls aufgeben – im Gegenteil. Neue Gedanken kommen hinzu, das Leben wird reichhaltiger – und statt der alten „Freunde“, die eher verbale Solidarbrüder waren, kommen Menschen hinzu, von denen wir wirklich etwas lernen können: Lebenserfahrung teilen, zum Beispiel.

Sehr geehrter ePOST Kunde,

Innerhalb der Leistungspalette der Deutschen Post hat sich der
Bereich der privaten Webmail-Kommunikation leider nicht als
Geschäftsmodell mit genügend Synergieeffekten erwiesen. Deshalb
kündigen wir Ihnen hiermit fristgerecht zum 28. Februar 2005 den
bei der Anmeldung zu ePOST geschlossenen Nutzungsvertrag. Bitte
beachten Sie, dass Ihr ePOST-Account und alle bei ePOST
gespeicherten Daten nach Ablauf dieser Frist unwiederbringlich
gelöscht werden. Die Nutzung Ihres ePOST-Accounts ist nach dem
28. Februar 2005 nicht mehr möglich.


Soweit zum "lebenslagen" Email Account der Deutschen Post und soweit zur Glaubwürdigkeit von Werbeaussagen.

Bitte also nicht mehr an sehpferd@epost.de schreiben.

Danke. Wahrscheinlich sollte ich auch epost dankbar sein, dass sie mich von dieser hakeligen Mailbox befreit.

Ich bin (derselbe, versteht sich): sehpferd at t-online punkt de.

Nach einem Artikel im Kulturteil des Spiegels soll ein gewisser Thomas Steinfeld die Literaturseite der SZ verwenden, um ein so genanntes Plädoyer für die deutsche Sprache erschallen zu lassen. Das nämliche Plädoyer erweist sich allerdings eher ein intellektuell sein sollendes Plättoyer. Hier das Zitat:

Es ist der Gestus der Staatlichkeit, die imaginierte Verantwortung für das politisch verfasste Gemeinwesen, die Arroganz einer eingebildeten Verwaltung, die diese Sprache so unerträglich macht“.

Das, Herr Steinfeld, hätten sie ruhig auch auf Deutsch sagen können: Ohne „Gestus“, ohne “imaginiert“ und überhaupt in einem Deutsch, das den Namen auch verdient. Abgesehen von diesen Sprachschlamperei, Herr Steinfeld: Verwaltungen legen überhaupt keine „Sprache“ fest. Offenbar gehören auch sie zu den Menschen, die Schrift und Sprache miteinander verwechseln.

Ich kann mir nicht verkneifen, die „Spiegel“ Überschrift zu zitieren, die aus Herrn Steinfelds Artikel stammt: „Der Ruin der deutschen Sprache“. Hoffentlich wird sie nicht durch Kulturredakteure ruiniert.

Wer trägt eigentlich eine Brille, wenn er nackt ist? Vielleicht FKK-Anhänger, aber wer eigentlich sonst? Sie meinen, diese Frage sei nun wirklich überflüssig? Nun, nicht, falls Sie die Gewohnheit haben, sich zu duschen oder zu baden – und bei dieser günstigen Gelegenheit die Haare zu waschen. Auch nicht, wenn sie als Haarwaschmittel stets das Gleiche benutzen oder sehr ordentlich sind und es immer zwei Zentimeter vom hinteren und drei Zentimeter vom rechten Badewannenrand aufstellen.

Aber dann, wenn sie zwei oder drei Haarwaschmittel benutzen, oder gar noch eine Spülung dazu, die alle gleich aussehen – weil sie alles von einer Marke gekauft haben. Dann brauchen Sie eine Brille. Mindestens, wenn sie das korrekte Shampoo suchen.

 

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