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zeit geschehen

Ein Artikel beim Schockwellenreiter (ja, er ist noch auf meinem Feedreader) brachte mich auf die Webseite vom „Netzwerk Selbsthilfe“ – kolossale Idee gewesen, das Ganze. Damals - als jede Initiative, die in Berlin war, noch ne tolle Initiative war, nur weil sie in Berlin war. Aber dann kam erst mal die Wiedervereinigung, und mit ihr zerbröselte die ganze Inselherrlichkeit – nun war man wieder ganz normale Hauptstadt. Tja, Freunde vom Netzwerk – die alten Zeiten sind vorbei – da könnt ihr die rasende Sau noch so lange im Logo führen – doch eure Sau, die rast nimmermehr.

Ich habe interessiert vernommen, dass es bald Stadtwikis geben soll – und Karlsruhe hat wohl schon dergleichen. Allerdings ist das Problem bei städtischen Seiten, Stattzeitungen, Städteblogs, den üblichen Touristenseiten und vielleicht auch Stadtwikis ja doch wohl dies: Der Kulturtourist will etwas anderes wissen als der Gourmettourist – oder schlicht: Was will man eigentlich von einer Stadtseite, einem Stadtblog oder einem Stadtwiki? Eigentlich immer das Gleiche: Informationen, Informationen, Informationen.

So: Und die muss erst mal jemand beschaffen. Veranstaltungen kann man ja noch irgendwo abschreiben, aber welche Taxis man auf keinen Fall nehmen darf, wo die Jugendstilgebäude sind, wo man für 200 Euro schlecht übernachtet oder wo es interessante Damen der Nacht gibt – das muss man erst einmal herausfinden. Wobei es mir nicht auf die Damen der Nacht ankäme: In Budapest zum Beispiel gibt es noch nicht einmal einen Jugendstil-Architekturführer.

Die Wikis in Ehren: Aber so einfach ist es nun ja wieder nicht, die Informationen über die Städte wirklich aktuell zu halten

Früher waren die Dinge einfach: Weibliche Personen konnte man in den ländlichen Gegenden und Vorstädten noch generell als „Deerns“ bezeichnen, und „die Deern“ konnte noch die Tochter oder die Bürohilfe sein – und wenn man unter sich war, dann waren „Deerns“ eben alle Fruenslüd* überhaupt, die noch diesseits der Vierzig waren. Das galt sogar noch in den 60er Jahren, wenigstens dort, wo man noch Mischings* sprach.

Nach und nach, vor allem im Stadtteil Schwachhausen* und bei den besseren Bürgersfrauen anderwärts kam sowohl die Bezeichnung „Deerns“ wie auch „die Deern“ und „Min Deern“ in Verruf, und auch der statt dessen gebrauchte hochdeutschen Monsterbegriff „Mädchen“ wurde nicht mehr gerne gehört: Statt „Sach mal dem Mädchen in der Zentrale“ musste man nun sagen: „Sagen Sie bitte der Dame in der Zentrale“, auch, wenn die gar keine Dame war sondern bestenfalls eine Frau vom Buntentor*.

Na gut, dann eben keine Deerns mehr und keine Mädchen. Vor allem aber keine Weiber, wie die Jugend im Unterschichtjargon sagte. Frauen? Ja, das könne man sagen, aber manche Frauen seien eben Damen, darauf müsse man achten. Also Damen? Irgendwie auch nicht, denn manche von ihnen sind einfach Frauen. Außerdem, so wusste man, kam es sehr darauf an, ob man „Damen“ mit hellem „a“ oder mit dunklem „a“ aussprach. Die mit dem hellen „a“ waren die Damen der Gesellschaft, die mit dem dunklen die „Damen des Gewerbes“, wie man noch zurückhaltend sagte.

Na schön. Und wie verallgemeinere und wie differenziere ich nun? Mit „weiblichen Personen“? Ach du lieber Schreck. Dann schon lieber mit Frauen. Sage ich „junge Frauen“, dann denken die Leute an Frauen zwischen 20 und 30 – da stimmt die Sache vielleicht noch. Wenn ich aber ganz junge Frauen meine? Ich darf nicht wagen, die „Fräuleins“ zu schreiben oder gar „Jungfern“, also schreibe ich „junge Mädchen“? Das sind dann die 13– bis 21-Jährigen. Eigentlich sind es dann ziemlich alte Mädchen, nicht wahr? Ich staune – die noch jüngeren heißen „kleine Mädchen“ – „das ist noch nichts für kleine Mädchen“ sagt dann die Mutter. „Alte Mädchen“ sind als Begriff auch schon besetzt und „große Mädchen“ waren einst solche, die vom Schulmeister oder den Eltern gelobt wurden, inzwischen etwas gescheiter geworden zu sein. Schulmädchen? Um des Himmels willen – nur nicht, da komme ich in Konflikt mit alle jenen, die bei „Schulmädchen“ gleich Hintergedanken haben – schließlich können „Schulmädchen“ auch jünger als 13 sein. Überhaupt – Mädchen. Sächlich, Singular und Plural. „Die kleine Magd“, das Mägdelein – der Begriff zeugt nicht gerade von Respekt und ist am besten noch beim „Hausmädchen“ aufgehoben.

Ach, sie dachten gerade, dafür gäbe es doch Begriffe? Früher ja. Da sagte man noch „Backfische“ – symbolisch für Frauen also, die man besser ins Wasser zurückwarf, als sie zu fangen. Das sind heute eben die „Teenager“ – ein selten blödes Wort, weil es keine Beziehung zur deutschen Sprache hat. „Zehntalte“ wäre etwa die korrekte Übersetzung, also Frauen, deren Alter auf „zehn“ endet.

Wissen sie was? Am liebsten würde ich wieder „Deerns“ sagen – für alle unter 50. In angelsächsischen Ländern ist es zwar flapsig, aber populär, „Girls“ zu sagen – Mädchen eben. Verflixt – und ich, ich habe immer noch kein Wort gefunden.

Wie soll ich euch denn nun nennen, Deerns?

Begriffe:

Deern – Niederdeutsch für Mädchen, auch generell für junge Frauen
Fruenslüd – Frauen, Niederdeutsch
Mischings – Sprache aus Hoch- und Niederdeutsch, mit englischen Wörtern vermischt
Schwachhausen – vornehmes Wohnviertel in Bremen
Buntentor – Arbeiterviertel in der Bremer Neustadt

Die Künstlerin Brigitte Niedermair stellt gerade in der Galleria Galica aus. Das Thema: Die heilige Kuh. Sehen Sie selbst. Nichts für schwache Nerven und Gutmenschen, fürchte ich.

Für alle Freunde der deutschen Sprache und solche, die einmal wissen wollen, was man vor 120 Jahren so gewusst, gemutmaßt und gedacht hat: Meyers Konversations-Lexikon von 1888 ist nun komplett vorhanden – digital und für jeden Menschen zugänglich.

Die „Badische Zeitung“ stellt heute in ihrem Kommentar von Thomas Hauser die Frage: „Was kostet Angela Merkel?“. Fazit des Artikels: Die große Koalition ist längst beschlossen, und nun tauscht die SPD sozusagen Herrn Schröder gegen das SPD-Parteiprogramm ein, wörtlich:" (Nun) versucht die SPD schlicht den Preis für Merkels Kanzlerschaft in die Höhe zu treiben. Je sozialdemokratischer das Regierungsprogramm gerät, desto leichter wird es den Genossen fallen, Merkel zur Kanzlerin zu wählen".

Fragt sich nur, was beide, welchen Schaden die unselige Schacherei um Frau Merkel und Herr Schröder, bereits politisch angerichtet hat. Der dürfte gar nicht mehr bezahlbar sein.

(Die "Badische Zeitung", die hier als Quelle genannt wurde, ist leider nicht verlinkbar)

Der Werbeblogger schreibt: Die Kampagne haut mich also nicht vom Hocker, und doch ist sie ist mir durchaus sympathisch. Aber erreicht sie die Zielgruppe im gewünschten Sinne? Wenn man die Resonanz in den Blogs durchschaut, wohl eher nicht. Es scheint, als lebten wir in einer Zeit, in der große Bilder, die rhetorische Rede, der Appell an das Gefühl nur noch geeignet sind, Laufschuhe zu verkaufen, Margarine oder Lebensversicherungen.

Sehen Sie, liebe Leserinnen und Leser: So könnte sich echte und ernst gemeinte Kritik an der Kampagne „Du bist Deutschland“ lesen. Im Übrigen gehören nicht nur die Einsteins und Schmelings zur Kampagne, sondern auch eine Dame, die in der Nachkriegszeit ihre Frau stand – Beate Uhse.

Wäre ihre Karriere nicht ein Grund, endlich den Hintern hochzukriegen und sich zu bewegen? Ach. Ich höre sie schon, die dümmlichen Herumdröhner von beiden Seiten des weltanschaulichen Spektrums: Die einen werden sagen: „Ja, nach dem Krieg, da stand einem ja alles offen“ und die anderen „aber sie dürfen Frauen doch nicht verleiten, mit so etwas zu beginnen“, und schließlich werden die linken Spinner wieder feststellen, dass auch nur die Idee einer solchen Unternehmensgründung ja Kapitalismus, Neoliberalismus und Globalisierung fördern würde – uns sich wieder brav in ihre Diskussionsgruppe Globalisierung verpissen.

Doch, ich will sie verleiten, mit so etwas zu beginnen. Zum Beispiel könnte ja mal eine der Bloggerinnen und Blogger aufhören, bei den Linksextremisten, Kommunisten und linken Sozialdemokraten abzuschreiben und sich mal das Recht auf eine eigene Meinung gönnen. Na, das wäre doch ein Anfang, oder?

beate

(foto: press release der Kampagne "Du bist Deutschland")

In Budapest begegnet man seinem Gedenken allenthalben. Der schwedischen Diplomat Raoul Wallenberg wurde zur Symbolgestalt für die Rettung vieler ungarischer Juden vor dem Naziregime – und für den möglichen Widerstand eines mutigen einzelnen Mannes gegen die Tötungsmaschinerie der Nazis.

Und hier, in Deutschland? Ich weiß, es gibt ein paar vereinzelte Straßen, die nach Raoul Wallenberg benannt sind. Wäre ich nicht häufiger im Ausland, ich hätte vielleicht nie von ihm gehört.

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photo (c) 2005 by sehpferd, Lörrach, Germany

Aus einer Rede, gehalten am 28.09.1969:

"Wir wenden uns an die im Frieden nachgewachsene Generationen, die nicht mit den Hypotheken der Älteren belastet sind und belastet werden dürfen; jene jungen Menschen, die uns beim Wort nehmen wollen und sollen. Diese jungen Menschen müssen aber verstehen, dass auch sie gegenüber Staat und Gesellschaft Verpflichtungen haben."

Was damals galt, gilt heute natürlich ebenso. Doch heute würden dem Autor wahrscheinlich die gleichen rotzfrechen und dümmlichen Sprüche entgegenschallen, die von den Webschreihälsen lauthals gegen die neue Kampagne "Du bist Deutschland" verbreitet werden.

Sie dürfen gerne nachlesen, wer es gesagt hat.

Zur offiziellen Seite "Du bist Deutschland".

40 Tonnen Hundescheiße Werden nach Angaben der Stadtväter in Budapest täglich produziert. Jetzt versucht die Stadt, der Sache mit einer Werbekampagne zu begegnen. Die Pressemitteilung des Bürgermeisteramtes (zitiert nach der Budapester Zeitung):

„Etwa 400.000 Hunde leben in dieser Stadt, wobei nur die Hälfte von ihnen angemeldet ist. Sie produzieren täglich 40 Tonnen Kot, der nicht nur ein öffentliches Ärgernis, sondern auch ein gesundheitliches Risiko ist.“

Vor meiner Haustür in Budapest lässt man seine Hunde neuerdings in den Park am Szena Ter scheißen. Überraschenderweise überlebte das Gras bisher den massiven Angriff der Vierbeiner.

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