anstoss

  sehpferdvs sehpferds magazin für anstöße und anstößiges

kladde

Once you start blogging, you can either carry on or quit – there is no way in between. Yes, you can restart after a while. Maybe there is a comeback. Maybe you can change you writing habits or subjects.

You can call your blog not being a blog: “Ce n'est pas un blog”, but others will tell you that you have a blog because they have a blog – they seem to be looking for comrades in blogging.

Whatever you tell bloggers, such as being an author or a writer or a poet or just a time witness, they will tell you that you are just a blogger – and that means: as unimportant as they are.

Maybe I'm really unimportant myself - but on a very high level. That helps. And I'm not a blogger, by no means.

Für die Menschen, denen ich im Alttag begegne, ist ein Tisch ein Tisch, ein Frisiersalon ein Frisiersalon und ein Schriftsteller ein Schriftsteller.

Doch wie war das mit dem Tisch? Nur für kulturelle Banausen ist ein Tisch ein Tisch – für den kreativen Menschen wie auch den kundigen Weltbürger ist ein Tisch natürlich nicht nur ein Tisch, sondern ein Element aus Form, Material und Funktion, das sehr unterschiedlich aussehen kann – und auch, das sehr verschiedenartig genutzt wird.

Ihr Frisiersalon mag kittelbehaftete junge Mädchen, üppige Sexbomben mit großen Ausschnitten oder schmierige ältere Männern an der Schere vorfinden, und der Salon mag nach Drogerie oder Puff riechen – doch er kann auch aus einer Plane, einem klapprigen Holzstuhl Stuhl und einem fast blinden Spiegel bestehen, und sein Hauptgeruch sind die Abgase der vorbeifahrenden Automobile.

So, und nun? Ach, sie wissen, was ein Schriftsteller ist, wie er denkt und was er tut? Herzlichen Glückwunsch!

Was hatten Sie sich doch gleich vorgenommen? Nehmen wir einmal an, sie wollten im neuen Jahr ihre Traumpartnerin finden, dann sage ich Ihnen dies: sie können gar nicht so viel schlafen, wie sie träumen müssen, um ihr auch nur zu begegnen.

Finden Sie nicht, dass es Zeit ist, mit den Dummejungenspäßchen aufzuhören? Von honigsüßen Frauen zu träumen, mit einer schnellen Karriere zu Ruhm und Macht zu kommen oder gar Visionen vom Leben zu haben?

Bleiben wir mal bei diesen honigsüßen Frauen: Wenn es sich nicht ohnehin extrem neurotische Zicken sind, dann sind sie anstrengend, und wenn sie nicht anstrengend sind, dann sind sie teuer. Doch wozu wollen sie diese Gezumpel überhaupt? Sobald die Klamotten einmal runter sind, werden Sie sehen, dass sie eigentlich nichts versäumt haben – und was die Qualität angeht, da hätten sie es vielleicht besser mit der Wurstwarenverkäuferin getrieben.

Karrieren? Je mehr sie eben jene anstreben, umso mehr verkoten sie ihr Hirn mit Dummsprüchen. Machen sie ihren Job, und machen sie ihn, wenn möglich, optimal und reden Sie einfach, klar und präzis mit jedem Menschen ohne Rücksicht auf seine Stellung oder Funktion. Vor allem aber: Konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche und hören sie nicht auf den Büroklatsch, die Unkenrufe oder irgendwelche zirpenden Lerchen aus dem vierten Stock – machen sie einfach, was Sie für richtig halten.

Sie wollen etwas für ihre Zukunft tun? Falls sie Visionen haben: Konsultieren sie so schnell wie möglich einen Nervenarzt. Was sie nicht wenigstens als Skizze auf einem Bierdeckel entwerfen können, ist keine Perspektive für Ihr Leben, sondern ein Fall für den Papierkorb. Wenn sie es aber beschreiben können: Führen Sie ihren Plan aus, und werfen sie vor allem ihre Scheuklappen weg – es gibt nicht nur den Ort, an dem Sie geboren wurden, sondern ein sehr interessantes Deutschland, in dem man sie jetzt braucht, und ein überaus aufregendes Europa, in dem sie ihren Platz finden könnten.

Natürlich können Sie mit dem jungen Mädchen, das Ihnen gerade in Aussicht gestellt hat, auf dem väterlichen Grundstück auf der schwäbischen Alb ein Eigenheim zu bauen und dort bis ans Lebensende mit ihnen ein stilles Glück zu verbringen, Ihr Leben verpfänden – fragt sich nur, welchen Wert die Sache auf Dauer hat. Die Welt ist voller Erfahrungen, die Sie jetzt machen könnten: Fremde Länder, andere Kulturen, neue Chancen und selbstverständlich auch Frauen, die sich einen Mann für ein Leben mit einer Familie wünschen ohne ständig neue Ansprüche nachzureichen.

Wenn Sie das Glück in Händen halten: Oh, dann halten sie es fest. Falls Sie sich aber nicht sicher sind: Es gibt andere Wege zum Glück, als in der Vorstadtsiedlung zu verkommen, auf der schwäbischen Alb zu vereinsamen oder Monat um Monat mit Anspruchsfrauen, Zicken, Nörglerinnen oder Schwarzseherinnen zu verbringen – etwas Besseres als das finden Sie überall.

In diesem Sinne: Ein gutes 2006 an alle, die es betrifft.

Beinahe hätte ich mich eingemischt, doch dann beschloss ich schnell, in meine Lieblingsrolle zu verfallen: die des Zuhörers.

Die Dame, die da in im Basler Schweizer Bahnhof zustieg, hatte Ambitionen, noch den Jackpot zu knacken und hatte zu diesem Zweck noch einen Lottoschein ausgefüllt – deswegen sei sie nochmals umgestiegen, so sprach sie die silberhaarige ältliche Mädchenfrau mit Pagenkopffrisur an ihrer Seite an. Ja, was sie denn wohl mit dem Geld anstellen würde, wenn sie denn gewänne? Oh, sie würde einen Verlag gründen. Würde Autorinnen und Autoren verlegen, die sonst keine Chance hätten – und dann, nach einer Pause. „Vor allem eigene Bücher“. Sie schrieb also, ließ aber offen, was sie schrieb, sagte aber, sie sei Schriftstellerin – so wie alle damals auf der Uni - ja, alle, alle seien Autoren geworden.

Ein verklärter Blick – ja, früher, da habe sie übersetzt, habe auch ein Diplom – große Literatur, verstehen sie, ins Neugriechische. Die Silberhaarige wollte wissen, wo sie denn ihre Kurzgeschichten veröffentliche – sie hatte im Inneren die große Literatur wohl inzwischen auf den Alltag herunter gebrochen. Nein, nein, sie schriebe Romane, keine Kurzgeschichten, historische Romane, aus der Zeit von Zarin Ichweißnichtmehrwer, aber es kann auch durchaus eine andere Zeit oder eine andere Herrscherin gewesen sein.

Nach ein paar Minuten landete man bei den Gebrechen und jenen, die früh verstorben waren – das bevorzugte Thema ältlicher Damen, aber nicht unbedingt von Autorinnen, doch immerhin erfuhr ich noch kurz vor Zürich Hauptbahnhof, dass der Beruf der Dame Bibliothekarin war und sie gerade jetzt einen neuen Arbeitsplatz suchte.

Ob sie im Lotto gewonnen hat? Ich wünsche es ihr von Herzen: Eine mittlere Summe aber bitte, damit sie nicht auf die Idee kommt, wirklich einen Verlag zu gründen.

Da liegt er also, der holde Knabe, mit seinen Wuschellocken, und die Gemeinde singt es so schön und so laut – und nein, nun kommt nicht etwa Joachim Ringelnatz ins Gespräch, obwohl er eben auch jenes Wort in seiner „Weihnachtsfeier des Seemannes Kuttel Daddeldu“ verwendet. Keine Frage: Das Wort heißt „hold“ und hier zum Vergleich noch einmal die Stelle bei Ringelnatz: „Und das Mädchen steckte ihm Christkonfekt still in die Taschen und lächelte hold.“

Die Leipziger Uni muss auf dem weihnachtlichen Glatteis ausgerutscht sein: Sie bezeichnet „hold“ als synonym für „hübsch“ und hat damit falsch geraten, denn es handelt sich keinesfalls um einen hübschen Knaben, so, wie auch Daddeldus Dame nicht hübsch war (wenn er dies bei dem Stand seines Alkoholgenusses überhaupt noch feststellen konnte) sondern sie war ihm geneigt: Sie wollte ihm mit ihrem Lächeln zu verstehen geben, dass sie zu näheren Begegnungen bereit war.

So ist denn „zugeneigt“ eigentlich die richtige Übersetzung oder auch „gewogen“. Ich kenne das Wort noch aus meiner Jugend, als Männer schon einmal sagten, „meine Holde“, und dies auch dann, wenn die Dame, die hier gemeint war, ihnen gerade nicht sonderlich hold war.

Da liegt er also, der holde Knabe – der geneigte Knabe, der zugeneigte Knabe, der uns gewogen ist. Das Lied will sagen, das er uns hold ist, dass wir seine Zuneigung genießen. So einfach ist das.

Wissen Sie, woran ich denke, wenn ich an „Heimat“ denke? An einen Würstchenstand. Genau an jenen auf dem Liebfrauenkirchhof zu Bremen. Man bestellte, nachdem man sich zu einer Wurstverkäuferin durchgedrängelt hatte, eine „Braaat“, soll heißen eine Bremer Bratwurst, die eigentlich eine Thüringer Bratwurst ist, aber eine Thüringer Bratwurst ist eben etwas ganz anderes, nämlich eine Thüringer – und in der Metzgerei, die hier eine Schlachterei ist, hieß sie sowieso „Bratwurst im Schäldarm“, weil man sie vor dem Braten aus eben diesem Schäldarm befreien musste.

Man beginnt sie mit schmerzverzerrtem Gesicht anzubeißen, weil man sie stets die Lippen verbrennt, was man zwar weiß, aber nicht wahrhaben will, aber dieser erste Biss lässt soviel Wasser im Mund zusammenlaufen, dass man wieder und wieder abbeißt, bis zur Mitte, wo sich das Brötchen zum Anfassen begindet.

Nachdem man die andere Seite dann genossen hat, wird der Wurstrest im Brötchen genüsslich verspeist, wobei einem bewusst wird, das alles vergänglich ist – vor allem Bratwürste. Der letzte Biss wird von vielen Bremern mit einem Teil des Brötchens verspeist, das anschließend teils in den eigenen Magen, teils in jenen der Sperlinge gelangt, die sich hier im Winter zum großen Teil von eben jenen Wurstbrötchen ernähren.

Wenn ich an meine Heimat denke, denke ich natürlich nicht immer an eben jenen Würstchenstand, sondern auch an die Mischung von WC-Reiniger und Eau de Cologne in mancher Bremer Treppenhäusern, und schließlich an die Weser – vor allem an jenes schöne Weserwehr, dessen faszinierend veraltete Technik jetzt einem dieser nichtssagenden Zweckbauten weichen musste.

Ich habe das Wort „aufsagen“ schon lange nicht mehr gehört, aber dies weiß ich noch genau: Dass wir Kinder uns früher bei den Großeltern immer unter den Weihnachtsbaum stellen mussten und unser Gedicht aufsagen: Es war vielleicht sogar einmal „denkt Euch, ich habe das Christkind gesehen“, obwohl eben jener blonder Flatterfratz bei uns in Norddeutschland gar nicht vorkam – und deshalb verstand dieses unsägliche Gedicht auch niemand. Das mag in Süddeutschland anders sein, wo ja jeder schon mal ein leibhaftiges Christkind auf dem Boden gesehen hat – nur beim Schwirren durch die Luft, da ist es eben schwer zu beobachten, dieses Christkind.

Also: Möglichst Mädchen sein, dann in Pose gehen (seht mal, wie wichtig ich bin) die Augen möglichst weit aufreißen, aber dabei versuchen, natürlich zu sein, Großeltern anblicken: „Denkt Euch“ ... dann den Blick wieder nach vorne, „ich habe“ in Alltagssprache, dann „das Christkind“ mit leicht gehobenem Kopf, beide Wortteile getrennt betonen, also Christ-Kind, beim „Ch“ den Blick verklärt nach oben richten, glücklich lächeln, und beim „gesehen“ schließlich den Sternenhimmel in den Köpfen leuchten lassen.

Ja, so war es, aber irgendwie anders. „Ihr müsst die Gedichte mit Betonung aufsagen“ lernten wir bei der Volksschullehrerin – und als wir eben jenes Gelernte dem Herrn Studienrat präsentierten, verbesserte er uns scharf: Ihr müsst den Sinn begreifen, das Gedicht in eurem Inneren fühlen und und es dann sprachlich gestalten.

Na klar. Ich wollte aber weder Schauspieler werden noch kam ich von drauß', vom Walde her, und den einzigen Wald, den ich bis dahin ernstlich wahrgenommen hatte, war der Stadtwald zu Bremen – und aus dem kam man nicht von „drauß“, sondern wartete an der Haltestelle auf den Autobus.

„Mach einen schönen tiefen Diener“, sagte man zu den Jungs, und den Mädchen wurde geraten, einen schönen Knicks zu lernen, wenn sie sich einmal wirklich intensiv bedanken wollten. Haben sie jüngst einmal ein Mädchen einen Knicks mache sehen? Einen richtig artigen Knicks?

Wahrscheinlich nicht. Selbst die Unterwürfigen üben keine Knickse mehr ein, weil dies die Herrinnen und Herren langweilen würde – sie gehen gleich auf die Knie. Die Stinknormalen aber werden wahrscheinlich nach einem Arzt rufen, wenn eine junge Verkäuferin einen braven Knicks macht und fragt: „Was darf ich den Herrschaften zeigen“?

Was mache ich jetzt daraus? Einen Artikel? Oder nehme ich es als Grundlage für eine Geschäftsidee? Sie dürfen mir raten, denn all dies unter Rubrik „Kladde“ schreibe ich ja nur – in Kladde.

Früher musste man immer „nett“ sein – weniger zu den Eltern, die den Herrn Sohn und seine Allüren ja kannten als vielmehr zu angemeldeten wie auch zufälligen Besuchern und natürlich vor allem zu Tanten, Onkeln und Großeltern. Vor allem aber musste man zu seiner „lieben Cousine“ nett sein, die, soweit ich mich zurückerinnere, als Mädchen wie auch als Frau absolut belanglos war.

Interessiert Sie das Thema? Dann schreiben Sie jetzt an meine Email-Adresse oder hinterlassen sie hier einen Kommentar. Ich werde den Artikel dann innerhalb eines Monats zu Ende schreiben.

Der Titel, mit “Keuschhaltung“ an preußisches Beamtendeutsch erinnernd, entstammt den Seiten, die man so gerne als „einschlägig“ bezeichnet: Die Seiten einiger Sektierer, die man entweder belächeln oder verachten kann, und die bestenfalls für eine Glosse taugen.

Indessen: was, über die Glosse hinaus, könnte ich schreiben über eine kalte Stahlplatte zwischen den Schenkeln, die jeden Metalldetektor auslöst und das Sicherungspersonal auf Flughäfen amüsiert?

Interessiert Sie das Thema? Dann schreiben Sie jetzt an meine Email-Adresse oder hinterlassen sie hier einen Kommentar. Ich werde den Artikel dann innerhalb eines Monats ausschmücken und ihn schmackhaft servieren.

 

Add to Technorati FavoritesMy Popularity (by popuri.us)

twoday.net AGB

xml version of this page

xml version of this topic

powered by Antville powered by Helma

development