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Mit meinem heutigen Beitrag zum Sonntag endet mein Interesse an all dem, was die ideologisch motivierte Diskussion um Blogs angeht. Ich nutze die Form, distanziere mich aber deutlich von allem Menschen, die im Blog Religionsresatz, Ideologie oder Lebensinhalt sehen. Es macht mich gelegentlich ein wenig traurig, wenn ich sehe, wie man im Web verkommen kann - und ich will nicht mit der Welle der Belanglosigkeit an den Strand der Blogzombies gespült werden. Nein, ihr Bokors und Mambos – ich entziehe mich eurem schädlichen Einfluss und bin nur noch ich – eine freie Seele mit einem frischen Geist in einer schönen Welt und mit einer wundervollen Zukunft.

Nicht erst seit gestern und nicht erst durch Herrn Ramirer hat mich dies nachdenklich gemacht: Die Windmühlenflügel sind wirklich Windmühlenflügel, und die dazugehörigen Müller produzieren kein Mehl (und auch nichts Wertbeständiges im sozialen Bereich). Nein, weit und breit keine Riesen zu sehen.

Bei näherem Nachdenken: Ich habe gar keine Windmühlenflügel im Visier, sondern Windmaschinenbetreiber, Windeierwerfer und Windhunde.

Im Angesicht eines Glases Pinotage einerseits und der Fingerabdrücke meiner Besucherinnen und Besucher andererseits frage ich mich, ob ich eigentlich eine Klowand betreibe oder etwas anderes.

Ich habe diese Dame mehrfach portraitiert, doch heute will ich die Gelegenheit nutzen, Ihnen auch einmal ihren schönen Körper zu zeigen. Aus dem zweiten Foto dürfte dann auch hervorgehen, wo Sie dieser Dame begegnen können.

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© 2006 by sehpferd

Der Schuster hat oft die schlechtesten Schuhe – aber die Psychologen besohlen ihre Theorien auch nicht immer mit dem besten Leder. Auch der Experte vergisst beim Anblick einer schönen Frau manchmal, das alles wahr sein kann - auch das Gegenteil – und so kann es dann zu dieser Geschichte kommen.

Vorhang auf.

Es war im Restaurant „Puck“ in Kopenhagen, irgendwann vor zehn Jahren: Die Kollegin, deutlich jünger- und englisch-italienischer Abstammung fragt mitten beim Hauptgericht: „Was hältst du eigentlich von mir?“

Es ist eine jener Fragen, denen uns die Kommunikationstheoretiker sagen, dass die Informationsaspekte gering sind, während die Gefühlsaspekte dominieren – und sie ist ein bisschen infam, weil man mit der Antwort sehr leicht in das eine oder andere Fettnäpfchen eintauchen kann. Nach meiner Auffassung sollte sie ohnehin erst beim Dessert gestellt werden und nicht, wenn gerade das Hauptgericht verzehrt wird.

Persönlich war die Sache noch heikler für mich: die junge Frau war äußert begehrenswert, was ihr Äußeres betraf, und deutlich weniger attraktiv, was ihre Persönlichkeit anging. Die Zusammenarbeit war leicht, solange man ihr keine Grenzen setzte und schwer, wenn es galt, eine gemeinsame Linie zu finden. Zudem befanden wir uns gerade auf einer längeren gemeinsamen Dienstreise – im Allgemeinen eine Situation, die auf die gegenseitigen Beziehungen Auswirkungen hat und bei alle dem hatten wir uns noch verabredet, am nächsten Tag den Film „Bird“ (über Charly Parker) zu sehen – in Ihrem Hotelzimmer.

Eigentlich hätte ich die Frage nutzen sollen, um eine Gegenfrage zum Verständnis zu stellen: „Meinst du dies sehr allgemein oder willst du es für einen speziellen Bereich wissen?“, doch wer kommuniziert schon schulmäßig beim besten Essen auf der Karte? Also sagte ich: „Oh, ich halte dich für eine attraktive Frau, eine interessante Engländerin und eine gute Kollegin“ – und führte noch manches dazu aus.

Ich sah dennoch, dass ich lauter falsche Antworten gab. Offenbar wollte sie all dies nicht wissen. Sehen Sie, liebe Leserinnen und Leser, und jetzt sind Sie wahrscheinlich auf der Fährte, auf die uns die Psychologen dauernd setzen wollen: „Sieht denn der Blödmann nicht, dass sie ganz andere Gefühle für ihn empfindet?“

Nach einer Weile jedenfalls sah sie mich an, richtete den Oberkörper gerade und sagte: „Das will ich alles gar nicht wissen. Ich will wissen, was du von meiner Arbeitsleistung hältst“. Also gut, nun wusste ich es. Gefühle spielten eine Rolle – auch in diesem Gespräch. Aber sie spielen eben oft eine völlig andere Rolle als die, die angeblich nahe liegt.

Vorhang zu.

Denke ich an die zarten Liebesbeziehungen, die sich manchmal per Mail nach Webkontakten anbahnen und sich dann vielleicht später als Luftblasen erweisen, so denke ich an E.T.A. Hoffmann und seine Novelle „Der Sandmann“. Der junge Nathanael verliebt sich in Olimpia, die Tochter des Physikers Spalanzani. Sie ist freilich nicht wirklich seine Tochter, sondern nichts als ein Automat, den der Professor konstruiert hat.

Das an sich wäre nicht besonders erwähnenswert, wenn der arme Nathanael nicht erst durch ein Perspektiv des Optikers Coppola den Liebreiz der Olimpia wahrgenommen hätte.

Haben die kleinen Manipulateurinnen und Manipulateure unter uns nicht schon oft solche Wesen erschaffen? Die Kaspernasen ihrer Geschöpfe in Chats, Foren und nicht zuletzt Blogs herausgehängt? Und haben sie sich etwa nicht amüsiert, wenn sich eines der realen Webgeschöpfe an ihren Fliegenleim verfing?

Und die anderen, die den Zuckermündern und blassrosa Nippelchen verfallen, die jene Wesen haben? Wollen Sie nicht die Illusion? Ziehen sie nicht bewusst und gerne dieses hervorragende Perspektiv aus der Tasche, mit dem die Mondstrahlen auf die Gesichter gezaubert werden?

Irgendwann fällt der Vorhang. Der Schaubudenbesitzer sieht noch dann und wann eine Person, die verzückt auf ihrem Platz sitzen bleibt, nimmt ihre Hand und führt sie zum Ausgang. „Wie müssen abbauen“, entschuldigt er sich, „wir können nicht anders – morgen müssen wir in der nächsten Stadt auftreten“. Die Person stutzt – doch sind dort hinten nicht andere bunte Lichter? „Vergessen sie Ihr Perspektiv nicht“, sagt der Schaubudenbesitzer, der den fernen Blick erhascht, „ohne diesen Gegenstand sind sie hier verloren“.

Ich denke, dass du denkst
Dass ich von dir denke
Dass du von mir denkst
Dass ich über dich denke
Du wärest (hier füllen Sie eine beliebige Eigenschaft ein).

(Nach Ronald D. Laing)

Könnte in einem Blog stehen – unterschwellig.

Als ich mich einst sehr intensiv mit Man Ray beschäftigte, fragte mich eine Kunstliebhaberin, ob ich mich denn für den Dadaismus interessieren würde. Ich antwortete der etwas perplexen Dame, mich interessiere Lichtbildnerei, und wie sie die Dinge nennen würde, sei mir letztlich piepschnurzegal.

Jetzt, da ich mich erneut mit Paul Watzlawick beschäftige, glauben manche Leute, ich interessierte mich für den „radikalen“ Konstruktivismus – und ich muss ihnen wieder entgegen. Nein, ich interessiere mich nur für menschliche Veränderungen, und sie können die Dinge weiterhin nennen, wie sie wollen.

Nachdem ich mich heute lange und ausführlich mit der Psychologie beschäftigt habe, bleibt mir eine Frage zur Nacht: Warum beschäftigen sich so viele Autoren damit, wie wir „von etwas weg“ kommen, statt sich damit zu beschäftigen, wie wir „zu etwas hin“ kommen? Was ist denn attraktiver? „Störungen in der Kommunikation zu beseitigen“ oder „durch Kommunikation das Leben zu verändern“?

Das Erste kling mir so, als würd der Rohrreinigungsdienst kommen -das Zweite so, als stünde der Frühling vor der Tür.

Budapest, Dienstag, 31. Januar 2006

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