anstoss

  sehpferdvs sehpferds magazin für anstöße und anstößiges

kladde

Warum sind die meisten Computertastaturen eigentlich so entsetzlich groß? Wir wissen es (natürlich) nicht. Die Hersteller haben offenkundig Freude daran, unsere Schreibtische damit vollzuknallen. Merkwürdig – während diese riesigen Monstertastauren ohne Sinn, aber mit recht liegender Kalkulationstastatur und so genannten „Zusatzfunktionen“ schon für ein paar Euro zu haben sind, kosten die „Small-Footprint“-Tastaturen ein Wahnsinnsgeld. Seit ich meine Logitech-Tastatur verwende, habe ich im Übrigen keinen Abrieb mehr beim „E“ und anderen viel genutzten deutschen Buchstaben – während bei einer deutschen Cherry-Tastatur älterer Bauart, die auch sehr teuer war, das „E“ schon überhaupt nicht mehr zu sehen ist. Wobei mir einfällt, dass ich zuvor ein Gespräch mit dem Vertreiber der Small-Footprint Cherry-Tastatur führte: „Sind ihre Tasten auch abriebfest“? Ich hätte genauso gut fragen können, ob es im Meer Wasser gibt. Inzwischen habe ich freilich gelernt, warum Computertasturen so groß sind: damit sie sich für Aktfotos eignen.

Ich gewinne immer mehr den Eindruck, dass ich die Dinge, die ich nicht mit nach Budapest nehmen will, besser zum Müllpatz bringe als sie nochmals bei Ebay anzubieten: Das Verkaufen dort wird für Privatleute, die ihre Haushalte auflösen wollen, immer unattraktiver. Wäre nicht auch ein bisschen Spaß dabei, ich hätte es längst aufgegeben.

Gerade habe ich für ein zwar altes, aber neuwertiges 500-Euro-Gerät noch nicht einmal 40 Euro erlöst.

Meine 70er-Jahre-Keramik? Fehlanzeige. Die Arbeitszeit mitgerechnet, mache ich an jedem Stück ungefähr 10 Euro Verlust, macht bei sieben nicht verkauften Artikeln 70 Euro. Vielleicht sollte ich die Dinge einem Hochzeiter für den Polterabend zur Verfügung stellen?

Ist es nun eine tolle Zeit, sich mit etwas Neuem zu beschäftigen oder eine schlechte Zeit? Eine interessante Frage, denn gerade beginnen viele Menschen, über ein eigenes Geschäft nachzudenken. Die einst leer stehenden Läden werden nach und nach wieder mit Leben gefüllt, und sie werden nicht, wie bisher, abgewertet sondern aufgewertet: Dort, wo einst der Billigkrämer hauste, ist jetzt ein Feinkostgeschäft, und wo der andere Billigkrämer war, haben sich jetzt eine vornehme Metzgerei und ein Weinhandel etabliert – alles in meiner Nähe. Einer der Eigentümer im Haus renoviert komplett, der andere hat gerade bei Einzug renoviert. Also müssten eigentlich tolle Zeiten sein.

So bin ich denn zuversichtlich, dass ich bald einen Käufer für meine Wohnung finde – doch das Wochenende war abermals eher enttäuschend: Das ernsthaft interessierte junge Paar, zu dem meine Wohnung gepasst hätte, hat sich anders entschieden. Also auf in die nächste Runde: Zwei Wohnungen suchen ihre Käufer. Zwei, die man zu einer vereinigen könnte – mit Gratisausblick auf die Tüllinger Weinberge und die Stadt Basel. Jetzt versuche ich, sie beide gemeinsam zu verkaufen – immerhin 135 qm. Die Anschaffungs- und Renovierungskosten lagen bei 180.000 Euro – und was soll ich Ihnen sagen? Ich will nur noch 162.000, wenn jemand beide Wohnungen kauft. Irgendwann wird jemand das Schnäppchen machen – und wenn alle Stricke reißen, dann vermiete ich eben. Warmmieten zwischen acht und zehn Euro pro Quadratmeter sind keine Seltenheit in dieser Stadt.

Mein Spaziergang heute bei fast 23 Grad in den Lörracher Weinbergen führte mich zur Wiese, deren Wellen sich bei heftiger Strömung im Sonnenlicht an den Steinen brachen.

Blüten sieht man hingegen nur wenige – doch um diese hier schwirrten bereits ein paar Bienen herum.

spring1

spring2

© 2006 by sehpferd

Erinnern Sie sich noch? Mit dem Super-8-Schmalfilm in Kassetten konnte endlich jeder filmen – fast automatisch dank TTL-Belichtungstechnik und sogar qualitativ ein bisschen besser als beim alten 8-mm-Film. Bald hieß es „alle Macht für Super 8“ und wir kauften und kauften und kauften: Kameras, Projektoren, Filme.

Mehr Geld hätte ich kaum zerschrotten können, als mit dem Kauf einer Nikon-Super-8-Kamera. Ich habe sie immer noch – und sie erinnert mich daran, dass ein Unterschied besteht zwischen der Ausübung eines Hobbys und der Anschaffung von Hobbygerät.

nikon2

Was mich ärgert, kann ich stets sehr schnell aufschreiben – diese Geschichte mit dem Herrn Professor zum Beispiel, der für ein paar Tage Medienstar sein durfte, weil er groben Unfug in die Presse gemüllt hat, zum Beispiel dies: „"Kinderlose hätten nie in das Rentensystem aufgenommen werden dürfen, weil es nur funktioniert, wenn es von nachfolgenden Generationen finanziert wird.". Solchen logischen Blödsinn kann allerdings jeder Sechstklässler widerlegen, denn Menschen werden ja nicht mit Kindern ins Rentensystem „aufgenommen“, sondern zumeist ohne. Vielleicht erzählen wir dem Herrn Professor doch gleich mal, dass man eine Lehre auch heute noch mit 16 oder 17 Jahren beginnt – und da haben die meisten Deutschen glücklicherweise noch keine Kinder. Wie schon anderwärts gesagt. Man darf sich als Professor beliebig disqualifizieren – und bleibt doch immer noch Professor.

Sehen Sie, aber das ist gar nicht mein Thema, sondern die Zeit, die ich dafür brauche. Schnell mal ein bisschen herumgebolzt, die Schwachpunkte der anderen genutzt, einen Professor als Sprüchemacher bloßzustellen – das ist ja alles einfach, wenn man es einmal erlernt hat.

Aber eine genaue Analyse? Einen Beitrag mit Zahlen und Fakten? Mit (hoffentlich) stimmenden Prognosen und eventuell auch noch stimulierenden Beispielen? Das ist schwer, kostet Zeit und Schweiß. Und da frage ich mich denn doch: Soll ich mir eigentlich die Mühe machen? Es kostet schließlich meine Zeit – Zeit, die mir niemand bezahlt, Zeit, die ich mindestens gegenwärtig anderweitig brauche.

Ich verzichte deswegen in letzter Zeit häufiger auf den bescheidenen Ruhm, den mir dieses kleine Magazin bietet, und sichere statt dessen lieber meine Existenz. Wohnungen verkaufen ist nur ein Teil. Die Gesundheit ein anderer. Die wirtschaftliche und emotionale Umstellung ein Dritter – vom Wechsel ins Ausland noch gar nicht zu reden. Es werden wieder Zeiten kommen, zu denen sich ändert, was wichtig ist – aber im Moment treibt mich die Frage um, was ich eigentlich wirklich zum Leben brauche – ein Daimler war nie dabei und eine Leica auch nicht, aber eine Wohnung, in der ich mich bewegen und handeln kann, wie ich will, schon. Ein bisschen Musik wäre schon ganz schön – und vor allem – sehr, sehr viel Farben und Formen. Schließlich bin ich ein Sehpferd. Sehen sie, und immer, wenn ich so weit bin, dann denke ich: Viel brauche ich eigentlich nicht zum Leben.

Samstag Nachmittag in Budapest – Rachmaninoffs (Rachmaninovs) Klavierkonzert No. 2 mit dem chinesischen Genie Lang LANG am Flügel – ich kann Ihnen sagen, da habe ich meinen Ärger in Deutschland vergessen.

beforeconc

Budapest 2006 - vor dem Konzert

Das waren noch Zeiten, liebe Mitmenschen, als Topsy Küppers noch „schicke Schlager“ sang. Dieser hier heißt „Im kältesten Winter seit `17“ und stammt von Georg Kreisler. Leider gibt es die Sache nicht auf CD. Der Titel der LP war „Komm“.

Textauszug:

Drum sei nicht so schüchtern und sei nicht so zagend
ich stelle dir nüchtern die folgende Frage:
Was machst du im Sommer, was machst du im Winter?
ich glaube, im Winter steckt vielmehr dahinter,
drum sing ich dir noch einmal vor:

Im kältesten Winter seit '17, seit '17
fror jedermann steif wie ein Brett.
Im kältesten Winter seit '17, seit '17
ging keiner alleine ins Bett.

Texte unter Urheberrecht von Georg Kreisler

Ja, das gab es: Blues Roots Vol. 1 – und lächerlicherweise mit deutscher Übersetzung des Liedtextes zu „Irene Goodnight“ : Hab deine Mutter wegen dir gefragt/Sie sagte du wärst zu jung“. Wer den Sänger Huddie Ledbetter (Leadbelly) kennt, weiß um die Legenden um seine Person: er, der als Mörder bezeichnet wurde, er, der die Bekanntschaft des legendären Alan Lomax machte ... er, der Sänger, der erotische Sänger, der schwarze erotische Sänger.

Man muss ihn hören, wenn er „Irene Goodnight“ singt ... erst erzählend, dann das Ihhhhhreeeeeen“ langziehend ... well, Irene, I kiss you in my dreams ... Irene goodnight ... und dann wieder das langgezogene, katermäulige „Eihhhh.... riene“. Ich kannte damals eine Dame namens Irene M. Zuletzt ward sie in Schwabing gesehen ... und danach? Good night, Irene, good night Irene, I meet you in my dreams.

Ja, ich verkaufe Ihnen die Platte – was dachten Sie?

Wenn man mit mir redet, geht manches. Letztes Jahr habe ich einige Original-Mingus-LP’s für 2 Euro das Stück verkauft, unter anderem die berühmten CANDID-Aufnahmen. Jetzt habe ich – mehr zufällig – die Freedom Now Suite von Max Roach und Oscar Brown jr. Für 2 Euro verkauft – im Paket. Und wissen Sie, was ich noch habe? Die Original Audio Lab Nummer AL 1549:

Billy Eckstine and his Orchestra feat. Sarah Vaughn, Dizzy Gillespie, Trummy Young, Rudy Rutherford, Wardell Gray Oscar Pettieford, Al Killian, Gene Ammons, Dexter Gordon, Bud Johnson.

Jeder Jazzfan weiß, dass es sich um eine Schnulzenplatte mit Bigband handelt. Aber ich besitze sie eben. Und ich verkaufe sie – echt.

 

Add to Technorati FavoritesMy Popularity (by popuri.us)

twoday.net AGB

xml version of this page

xml version of this topic

powered by Antville powered by Helma

development