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Da wird also ein deutscher Jugendlicher in der Türkei in den Knast gesteckt – auf die Anzeige einer englischen Mutter hin. Die deutsche Presse ist mit Recht empört, die türkische Presse giftet gegen Deutschland (was sie besser bleiben lassen sollte) und was macht die britische Presse? Sie duckt sich und pfeift sich ein Liedchen.

Da frage ich doch mal: Was ging eigentlich im Kopf der Frau aus Manchester vor, der den Deutschen bei der türkischen Polizei angezeigt hatte? Wusste sie nicht, was sie dem Jungen antun würde? Und warum stöbert die englische Presse sie jetzt nicht auf, um ihr und ihrer Tochter die notwendigen Fragen zu stellen? Immerhin will die Presse doch schon wissen, dass die angeblich ausgetauschten Intimitäten in gegenseitigem Einverständnis geschahen. Warum also? Es geht doch hier nicht nur um die Zustände in der Türkei, sondern auch um das Verhalten jener englischen Mutter – oder irre ich mich?

Nachtrag: Ich irrte mich nicht. Die Mutter glaubt, absolut im Recht zu sein - und inzwischen wird die deutsche Presse, die nun die Eltern aufgestöbert hat, als Buhmann gehandelt. Kein weiterer Kommentar - das Verhalten der Eltern spricht für sich selbst.

Zweimal hätte ich mich dieser Tage beinahe in die Nesseln gesetzt: einmal, weil ich nicht gründlich genug recherchiert hatte, als ich einen Beitrag über etwas schrieb, was der WELT-Redakteur Tilman Krause über Männer generell und Schwule im Besonderen schrieb. Hass kann manchmal merkwürdige Formen annehmen – und sie wären beinahe sogar über das Denkvermögen des hier schreibenden Diagonaldenkers gegangen.

Dann heute: Antwerpen. Die Presse schrieb, dass ein Rechtsradikaler in Antwerpen zwei Menschen mit einem Gewehr hinstreckte – eine unglaubliche Tat, vor der ich mit ebenso viel Abscheu wie auch völligem Unverständnis stehe – doch wäre es interessant, seine Motive zu kennen, denn nur dann hätte man überhaupt eine Chance, dergleichen zu verhindern. Doch die Presse macht es sich einfach: Rechtsparteien erzeugten Fremdenhass, und die Tat sei die natürliche Folge, schrieben die Gazetten mal mehr, mal weniger genüsslich. Ich wollte als Hauptquelle ein Blog zitieren, und musste plötzlich feststellen, dass ich bei einem christlich-rechtsradikalen Blogger gelandet war. So etwas gibt es also auch. Indessen ergab meine Quellenforschung, wo er nun wieder abgeschrieben hat, und so konnte ich wenigstens noch vermeiden, ausgerechnet einen Rechtsradikalen als Quelle zu verwenden.

Das ändert nichts an der Tatsache, dass mal wieder eines klar ist: Die Presse, aber auch die Mehrheit der Blogger, werden wieder die üblichen Abnickartikel schreiben: von dem Boden, den rechtsradikale Parteien vorbereiten, von dem Hass, der darauf wächst und von der Unausweichlichkeit der Taten.

Was ich mir wünsche? Gründlichere Analysen. In Belgien sollen es die Belgier tun, und in Deutschland bitte einmal die Deutschen. Mit dem, was eigentlich sein könnte oder sein sollte kommen wir nicht weiter, und auch die ewigen Gebetsmühlenbetreiber von einer „Jugend ohne Zukunft“ hängen mir inzwischen zum Hals heraus. Wir sollten diese Leute scharf beobachten, denn auch sie tragen dazu bei, dass sich die Jugend radikalisiert – und wir sollten uns fragen, welche Motive dahinterstecken.

(Wortidentisch, aber unter anderer Überschrift bei mir)

Sie erinnern sich? Seien sie nicht der Dreizehnte bei einer Dame, und wenn, dann verwenden Sie bitte beim Blind Date in jedem Fall ein Kondom – falls sie mir die Anmerkung gestatten: Das gehört eigentlich bei jedem Blind Date ins Handtäschchen, falls es in der Hosentasche einmal fehlen sollte. Doch das Thema „wie viele hattest du denn schon vor mir?“ wird, wie es scheint, beim Blind Date durchaus gelegentlich variiert: „Wie viele aus dem Internet hast du denn schon getroffen?“

Nun, ich bin zwar keine Briefkastentante, aber soviel kann ich Ihnen verraten:

Grundsätzlich: Bestenfalls bis zu drei Personen verteilt über eine längere Zeit. Sie machen das sowieso alles nur, weil es an Ihrem Arbeitsplatz keine geeigneten Personen gibt, weil ihre Stadt kaum Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme bietet, weil sie in einem Alter sind, in dem es nicht mehr sehr viele Kandidatinnen/Kandidaten gibt – nötig haben sie es nicht. Aber es ist doch eine sehr nette Art, miteinander Kontakt aufzunehmen, nicht wahr?

Die Personen, die sie trafen, waren alle sehr interessante und aufgeschlossene Menschen, nur leider nicht die richtigen Partner – deswegen ist auch nicht mehr daraus geworden. Es gab keine Enttäuschungen, keine Abweisungen, keine Tränen. Sie sind sehr glücklich, dass sie diese Menschen getroffen haben.

Ach Sie glauben, dass dies nicht ganz der Wahrheit entspricht? Dann unterstellen sie, dass die Wahrheit in diesem Fall von Bedeutung ist. Ist sie es? Ich meine, nur die Person am Tisch sei von Bedeutung. Sehen Sie, und nun frage ich mich, ob man mit jemandem, der fragt „ wie viele aus dem Internet hast du denn schon getroffen?“ nicht ohnehin nach Gutsherrenart umgehen sollte, denn, wer so fragt, beweist damit ja nur, dass er keine gute Kinderstube hat. Eine Dame ist immer zuerst Dame und widmet sich ausschließlich dem Herrn, dem sie gerade begegnet – und ein Herr? Der kennt während des Dates nur die Dame, mit der er gerade anbandeln will – und niemanden sonst. Geben Sie ihr das Gefühl, das sie unglaublich wichtig ist – und wenn sie nicht zur Dame Ihres Herzens wird, dann schenken sie ihr wenigstens einen schönen Abend – und das gilt umgekehrt genau so.

Angeregt durch: Geroldswelt

Obwohl ich es gerade anderwärts hingeschrieben habe, will ich dies noch einmal betonen: Fragen Sie nie einen Künstler oder Zeitzeugen (sind wir nicht auch Künstler?) warum er etwas tut. Fragen Sie sich, was in Ihnen passiert, wenn sie eine Musik hören, ein Bild bewundern oder einen Text lesen. Sie bekommen dann Antworten, die Ihnen nützen.

Natürlich gibt Ihnen auch der Künstler manchmal eine Antwort. Die meisten von uns haben eine Antwort im Zettelkasten, nicht wahr? Die Universalantwort: „Weil ich es tun muss“. Sie sagt nichts aus, aber sie gebührt dem, der seine Zeit mit der Frage nach der Motiviation an Künstler oder Autoren verschwendet

Es wäre so schön, wenn es nur eine Wahrheit oder nur eine Gerechtigkeit gäbe – aber je älter ich werde, umso mehr erkenne ich, dass es viele Wahrheiten und viele Gerechtigkeiten gibt. Die Geschichte von dem alten Rabbiner, der einem Streithahn und seinem Kontrahenten Recht gibt, kann ich wohl nachvollziehen, ebenso wie die Pointe dieses Witzes: Als seine Frau ihn darauf anspricht, dass er nicht beiden recht geben könne, sagte der Rabbiner zu seiner Frau nur dies „ja, und du hast auch recht“.

Sie denken, dass es nicht reicht, nun allen Dreien Recht zu geben? Sehen sie, da haben Sie auch recht.

Was ich wirklich will, fragen sich manche Leute (sie sollten sich besser selbst fragen, aber das nur am Rande). Ich will, dass der bessere Gedanke siegt, sodass wir alle davon profitieren können. Wenn es Ihrer sein sollte: ganz vorzüglich. Sollte es meiner sein – genau so gut. Doch wahrscheinlich ist es ein gemeinsamer Gedanke, der aus beiden erwächst.

Sehr einfach, nicht wahr? So – und nun sagen Sie mir mal, wann sie dieses Erlebnis zuletzt in einem Blog hatten.

Wenn Sie wissen wollen, was ich eins liebte, was ich heute noch liebe, was ich schon zwei Mal von Ex-Freundinnen zurückgeholt habe und was ich dennoch nicht mehr besitze – ja wenn Sie das wissen wollen, dann sage ich nur „Komm“.

Nein, nicht Sie dahinten mit dem langen schwarzen Haar und dem verführerischen Lächeln. „Komm“ war nämlich der Titel eines „schicken Schlagers“ und gleichzeitig der Titel einer LP von Topsy. Damit niemand auf die Idee kommt, mir die Pkatte zu schicken: Ich schaffe gerade alle Platten ab. Aber die Lieder hätte ich so gerne – wenigstens noch einmal gehört, zum Beispiel dies:

Sagen Sie, Frau Zimmermann, bei wem lassen Sie quälen?
Ich frag' aus ganz bestimmten Gründen grad' bei Ihnen an,
bei wem lassen Sie quälen, foltern, martern?
Weil bestimmt ihr armer Mann eine Peitsche brauchen kann,
deshalb frag' ich Sie, Frau Zimmermann
.“

Liedertext (c) Georg Kreisler

Ähnlich „schick“ waren sie alle. Nun ja, jeder kriegt seinen Wunsch erfüllt in Alices Restaurant. Vielleicht ja sogar ich.

Nachdem ich bisher eine vierte, unveränderte Auflage eines Buches besaß, das mit der Zeit so zerlesen war, dass es dringend erneuert werden musste, stellte ich nun fest, dass es bereits in die zehnte Auflage gegangen ist – und dass es sich dabei nach wie vor um eine unveränderte Auflage handelt.

Es ist „Menschliche Kommunikation“ von Paul Watzlawick, Janet H. Beavin und Don D. Jackson, geschrieben ca. 1967, erste deutsche Auflage von Hans Huber ca. 1969 – und es ist kein bisschen veraltet – nur aus heutiger Sicht etwas leichter zu kritisieren als damals.

Am 05. April 1956, also heute vor 50 Jahren veranstaltet der kommunistische Jugendverband FDJ ein Forum, auf dem das „Jazz –Ja oder Nein“. Diskutiert wurde. Der Komponist Hans Eisler soll dabei erklärt haben, dass „Jazz in der DDR nicht zum Kult gemacht“ werden solle, weil es „das Gehirn der Jugend“ verkleistern würde.

Freilich – genau so drastisch sagte man es auch in der BRD – dort konnte man den Jazz zwar nicht verbieten, sprach aber von „Parasiten des Jazzkellers“, und der Ausdruck „Negermusik“, der besonders abfällig wirken sollte, war auch noch nicht aus der Welt.

Abgesehen davon gibt es bis heute eine (sinnlose) Diskussion darüber, ob die „weißen Kapitalisten“ (heute mit anderen Namen belegt) den „armen Negern“ (die heute auch anderes heißen) die Musik „weggenommen“ habe. Da dies einst ernstlich von Intellektuellen diskutiert wurde, kam mir erstmals der Gedanke, dass viele Intellektuelle ein Rad ab haben – und das ist bis heute so geblieben – außer dass ich inzwischen glaube, dass manchen alle vier Räder fehlen.

Nachdem ich jetzt bei einer hier ansässigen Dame soviel über den Harem gelesen habe, muss ich doch mal das Bild einer schönen Odaliske zeigen. Und soviel haben ich gelernt:

„Odalisken waren in einem Harem ungefähr das, was eine Kammerzofe an europäischen Höfen war: Sie bediente in der Oda, also der Kammer, die Favoritinnen des Sultans, und sie unterstanden einer Art Hausdame, die ihren Einsatz plante.

Im europäischen Sprachgebrauch, insbesondere in der Malerei, ist eine Odaliske allerdings eine weißhäutige Haremsdame, die man sich in der Kunst eher als eine Art Konkubine vorstellte.

Die Vorstellung, dass weiße Frauen durch obskure Vermittler in die Harems verschleppt wurden, gehört vermutlich in den Bereich der Fabeln, obgleich es Seeräuber gegeben haben soll, die tatsächlich mit der begehrten „Ware“ gehandelt haben. Indessen blieben Sklavinnen wie auch Odalisken nicht ewig bei Hofe: Sie mussten neun Jahre dienen, danach stand ihnen frei, den Weg hinauszuwählen – dem Vernehmen nach waren sie hernach begehrte Ehefrauen, vor allem wegen der hohen Summe an Mitgift, die ihnen zur Verfügung stand, aber natürlich auch wegen der weiter bestehenden Kontakte zum Herrscherhaus“.

Dazu gleich eine Frage: Stimmen meine Recherchen? Bei „Wikipedia“ fand ich keine ausreichende Antwort.

haremsdame

Bild: Frederick Arthur Bridgman "Odaliske", Ausschnitt

 

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