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Manchmal ist Politik ganz einfach: „Glaubwürdige Politik bestehe darin, den Menschen kein X für ein U vorzumachen“ soll der bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber laut einem Bericht der „Netzzeitung“ gesagt haben. Wann er seine Partei in CSX umbenennt, sagte er nicht.

In den letzten Tagen stutze ich über einen Artikel in dieser Kommune, der sich mit dem Deutschsein beschäftigt. Mir fällt dazu in erster Linie ein, dass wir die Sprache immerhin mit einem Teil der Schweizer und den Österreichern teilen, und manche Österreicher werden ja sogar vor der Weltöffentlichkeit als „Deutsche“ hingestellt.

Doch ist es allein die Sprache? Brauchen wir Deutschen wirklich eine „Nationale Identität“, wie jetzt oft gefordert wird? Oder könnte es uns nicht reichen, zu sagen, wie seien Hamburger, Schleswiger oder Sachsen?

Wir werden demnächst alle Heimat finden in einem erweiterten Europa – doch wer von uns hat schon über seine europäische Identität nachgedacht, in die unsere heimische Kultur ja eingehen wird? Ich fürchte, es fordert von den meisten Deutschen zu viel Überwindung, über die Grenzen hinaus zu denken.

Was eine Provinzposse ist, kann lernen, wer die Diskussion um einen Grundschulnamen im Lörracher Stadtteil Hauingen verfolgt hat: Dort darf sich nach langem Gerangel zwischen Ortsvorsteher und CDU einerseits und der Elternschaft andererseits die örtliche Grundschule nach der schwedischen Kinderbuchautorin Astrid Lindgren nennen.

Bis zuletzt war erbittert gekämpft werden, weilt Astrid Lindgren "keine Beziehung zu Hauingen" habe. Sicher ist: Kein Mensch außerhalb Lörrachs kennt Hauingen - mit oder ohne Astrid Lindgren - der Ort ist einfach zu unbedeutend.

Bei der Gelegenheit erinnert man sich an den von „aufrechten“ Männern geführten Kampf um eine Schule im nahen Steinen, die nach der Künstlerin Meret Oppenheim benannte werden sollte: Jene hatte einen Bezug zu Steinen, denn sie war dort einst zur Schule gegangen. Doch eine sinnliche Frau, noch dazu eine Künstlerin und obendrein eine Jüdin war den Steinenern suspekt: Die Schule wurde nicht nach Frau Oppenheim benannt. Chance verpasst? Kaum jemand sah es dort als Chance. Provinz bleibt eben Provinz, und wo es Stammtische gibt, gibt es auch Trottel. Die behaupten dann, es sei "schließlich keine Kunst gewesen", was Frau Oppenheim produziert habe.

Den Artikel der "Badischen Zeitung" dazu muss ich Ihnen leider vorenthalten, weil diese Zeitung zu einer Unsitte übergeangen ist: Nahezu jeder Artikel des in Freiburg erscheinenden Blattes ist mittlerweile nur noch für Abonnenten zugänglich. Schlechte Werbung für die Zeitung, und dazu ein Tiefschlag für den gesamten südbadischen Raum und seine Kultur, die nicht immer "Marke Provinz" ist.

Irgendwann einmal ist Schluss: Die Hetzkampagne gewisser Kreise, die sich gegen Kinderlose und Ledige richtet, muss ein Ende haben. Möglicherweise hat dies die CDU in Deutschland inzwischen eingesehen und vielleicht auch die bayrische CSU. Andere jedoch nicht: der „Deutschen Arbeitskreis für Familienhilfe", der eigentlich Eltern-Kind-Fachkliniken betreibt, hat nach einem Pressebericht beim ifo-Institut ein Gutachten in Auftrag gegeben, das „beweist", wie „benachteiligt" die Familien in Deutschland sind - und da sich Zahlen immer gut machen, wird dann mal gleich die Zahl von 33 Milliarden Euro in den Raum gestellt, die den Eltern vorenthalten wurden.

Mit Polemik wird dabei nicht gespart. So wird von „Kinderstrafsteuern" und „systematischer Benachteiligung" gesprochen.

Es wäre an der Zeit, dass sich der Arbeitskreis, aber auch das Ifo-Institut selbst, einmal daran erinnern sollte, dass mit solchen Aufträgen, Gutachten und Berichten Hass in diesem Land geschürt wird. Doch das ist mittlerweile typisch für Deutschland: Es werden keine Lösungen gesucht, sondern Schuldige. Falls jemand demnächst auf die Idee kommen sollte, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, ist dies bestimmt wieder eine „Kinderstrafsteuer", obwohl dies die einzige Methode ist, von der ungerechtfertigt hohen Lohnsteuer herunterzukommen.

Vielleicht werfen die Jammerer einmal ein Blick nach Südafrika und in andere Gegenden dieser Welt, wo Eltern Schulgeld zahlen müssen. Dort klag man ebenfalls - aber man engagiert sich auch. Statt zu schreien, zu wehklagen und nach immer mehr Geld zu rufen, sollten sich die Familien einmal darauf besinnen, dass sie auch einen Auftrag haben: Der heißt nicht, Kinder zu produzieren, sondern diese zu verantwortlichen Mitmenschen zu erziehen und ihnen eine brauchbare Basisbildung zu vermitteln. Darüber freilich werden keine „Gutachten“ erstellt – das will nämlich niemand hören.

Nun haben wir den Salat: Dank der Volksverdummung, die das ZDF „Kultur“ nennt, ist einer der Männer zum „größten Deutschen“ geworden, die es am wenigsten verdient haben: Konrad Adenauer.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Kein Politiker hätte es verdient: auch Willy Brandt, Helmut Kohl oder Helmut Schmidt nicht: Sie sind, im Angesicht der deutschen Kultur, wahrhaftig belanglose Gestalten.

Doch Adenauer war niemals ein „Deutscher“. Er war ein rheinischer Katholik. Ein Deutscher muss das ganze Land repräsentieren, die Landessprache fehlerfrei sprechen und den geistigen Strömungen aller Landesteile gegenüber offen sein. Das alles konnte Adenauer nicht: Die deutsche Sprache beherrschte er überhaupt nur mit Mühe und seine Kulturschranken begangen schon kurz hinter seiner Haustür.

Dankbar können ihm vor allem die Kirchen sein: Er hat sie in den Sattel gehoben, und seither bestimmen sie heimlich überall mit: So wurde der liberale Staat ein für alle Mal ausgehebelt - noch heute werden zu allen Fragen von Ehe und Familie in aller erster Linie die Kirchen gehört: eigentlich eine Unerträglichkeit in einem demokratischen Staat.

Dass die alten Nazis bei Adenauer wieder Morgenluft schnupperten, steht inzwischen sogar im Geschichtsbuch, doch dass der „alte Häuptling der Indianer“ vor allem die Jugend und deshalb so gut wie jede Erneuerung hasste, ist weniger bekannt.

In einem Deutschland, wie es sich Adenneuer vorstellte, würde heute kein Mensch mehr leben wollen: Ein miefiger, altbackener Staat, deren Bürger von mürrische Verwaltern an allem gehindert wurden, was Freude macht, mit unterdrückten, dahinvegetierenden Hausfrauen und einer freudlosen jungen Generation.

Adenauer ein großer Deutscher? Höchstens für alle, die schnell vergessen.

„Gibt Gott ein Häschen, gibt er ein Gräschen“ sagen die frommen unter den Gutmenschen, doch Herr Stoiber und seine Gefolgsleute wollen noch viel mehr: Sie wollen gleich 50 Euro-Ostereier pro Kind und Monat an die Rentenkasse überweisen – freilich weiß bislang niemand, wo die herkommen sollen. Und so richtig überwiesen werden sollen die ja auch nicht – eher schon gutgeschrieben.

Da man selbst im katholisch ausgerichteten Bayern weiß, dass Manna heute nicht mehr vom Himmel fällt, stehen die Opfer schon fest – die Kinderlosen nämlich sollen jetzt mal endlich ihre „verdiente“ Sozialstrafe bekommen – sie sind nämlich von Stoiber und seiner Partei zum Melkvieh der darbenden Nation auserkoren worden.

Fragt sich nur, wie weit die unverschämten Leute um Stoiber und seine kirchennahen Berater noch gehen wollen: Vielleicht wollen sie demnächst den Kinderlosen auch noch das Wahlrecht entziehen – zuzutrauen wäre es ihnen.

(c) 2003 by Sehpferd Press

Der bayrische Ministerpräsident Stoiber will Geld verschenken – nicht sein eigenes, versteht sich, sonder Geld, das ihm gar nicht gehört: Die Rentenkassen sollten demnach pro Kind 100 Euro beitragsfrei überweisen, während Familien mit Kindern möglichst auch noch „Rabatt“ beim Beitrag bekommen sollen.

Dies äußerte Stoiber am Sonntag nach Presseberichten in der Sendung „Berlin Direkt“. Offensichtlich ist dieser Vorschlag aber nur eine Variante eines zuvor bereits an die Öffentlichkeit gelangten Stoiber-Vorschlags, der vorsieht, kinderlose bei der Rente durch Kürzungen abzustrafen.

 

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