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Kann man in Jimmiz Journals nachlesen: Eine beinahe liebevolle Einschätzung, wenngleich sie von scharfer Beobachtungsgabe zeugt.

Warum singen die Vögel? Ich weiß es nicht, ich bin schließlich kein Ornithologe. Freilich, es müsste herauszufinden sein – doch für mich singen sie einfach. Mag sein, dass sie auf andere scheißen. Nicht auf mich.

Warum schreiben Autoren? Ich weiß es ebenfalls nicht, aber ich höre die Frage oft. Es ist, mit Verlaub, die dümmste Frage, die man mir stellen kann. Warum malt ein Maler? Warum komponiert ein Komponist? Also: Warum schreibt ein Autor? Ich weiß es nicht. Ich schreibe für irgendjemanden, da draußen. Ich lese irgendetwas, von denen da draußen. Mag sein, dass Leute auf mich scheißen. Sollen sie mich nicht lesen. Im Internet wird man kaum noch sagen können: „Ich befinde mich gerade im kleinsten Raum meines Hauses und habe deinen Artikel vor mir. Bald werde ich sie hinter mir haben“. (Abgewandeltes Zitat, Gustav Mahler zugeschrieben). Das heutige Druckerpapier ist viel zu glatt.

Was soll ich nur tun, ich armer Mensch? Einen neuen Blog eröffnen, zum Beispiel: „1000 Gründe, heute (k)einen Artikel zu schreiben“ – hätte ungefähr die gleiche Bedeutung wie der einschlägige Bier-Blog.

Heute, liebe(r) Leser(in), schreibe ich einen Artikel, weil Mittwoch ist. Morgen wird es mir vielleicht in den Fingern jucken, noch einmal über die Berufsunfähigkeit von nickelallergischen Stripperinnen zu schreiben, und Freitag vielleicht über das Verhältnis von Matjesheringen und Frauenbrüsten – falls mir eine entsprechende Anregung über den Weg läuft.

Fragen wir uns bitte einmal, welchen Wert ein Blog hat. Was mir als erstes einfiele, wäre die Freiheit, das vom Zeitgeschehen zu schreiben, was der inneren oder äußeren Zensur ansonsten zum Opfer fiele, wobei wir in Deutschland vor allem mit der inneren Zensur zu kämpfen haben: Sobald der Katholizismus oder der Staat Israel betroffen ist, verstummt die Bereitschaft der meisten Journalisten, wahrhaftig zu sein. Man fürchtet, Menschen zu kränken, die im Herzen gut, aber im Handeln fragwürdig sind.

Als zweites fällt mir der Unterhaltungswert ein. Blogs, die nicht unterhaltsam sind, werden kaum gelesen, denn was den Lieschen Müllers dieser Welt zu ihrem Alltag einfällt, interessiert nur dann, wenn es intelligent, frech oder sonst wie originell ist. Der Rest der Bloggerinnen und Blogger kann einpacken: Überall in der Blogosphäre stehen dann die verlassenen Koffer herum – auch einige von mir, wie ich zugeben muss.

Warum nun werden Blogs aber nicht genutzt, um Ideen zu vermarkten? Es wäre ein Fortschritt, wenn Blogger gezielt für ihre eigenen Produkte oder Dienstleistungen werben würden, statt die dümmliche Werbung zu ertragen, die ihnen von den Betreibern zugemutet wird. Wer nichts vermarkten will, dem müsste allein schon die Freiheit der Rede ein paar Euro wert sein.

Heute war wieder so ein Tag: fast überall, wo man anbloggte, konnte man neue Diskussionen um Blogs lesen. Sandra Wiegard machte bei der Gelegenheit schnell mal Werbung für ein Blog-Buch. Für sie hat es sich noch lange nicht ausgebloggt, nur hat sie Probleme mit dem Angeln: 10.000 Fische zur Auswahl (und wer weiß, wie viele noch kommen)? Da behält man kaum den Überblick. Von wem die Diskussion eigentlich ausging: Jimmiz Journal schein es gewesen zu sein. Der jedenfalls bloggte von der Frühjahrsflaute, und sehr viele bloggten ihm nach. Ach ja, das Buch: Kann man kaufen. Ich habe inzwischen ein anderes. Kann man auch kaufen. Nur: Was nützen diese Bücher, wenn den Bloggern langsam die Texte zwischen den Tasten durchrieseln?

Es scheint, dass es so wird, wie es schon immer war: Schreiben wollen heißt noch lange nicht schreiben können und schreiben können bedeutet bei weitem noch nicht, auch gelesen zu werden. Das war doch unser Ziel, oder nicht?

Zeitzeugen müssen Zeitzeugnisse schreiben, die über den Tag hinausgehen. Wer es auch nur einmal versucht hat, weiß, dass es gar nicht einfach ist. Blogger schreiben ja nun angeblich, was vom Tag übrig bleibt, also eigentlich über Umstände, die sie noch ein wenig bewahren wollen oder über deren Bedeutung für sich und andere sie sich noch nicht klar sind.

Das klassische Log (das Tagebuch) wurde still geführt – es diente als Dialogform mit sich selbst, von der bisweilen heilende Wirkungen ausgingen, wie auch als Ablage für überschwängliche Liebe oder tief greifenden Hass – und alles, was sonst noch in diese Kategorien fällt. Das Tagebuch hatte zwei Vorteile (ich schrieb schon einmal darüber), nämlich erstens, dass es niemand lesen konnte außer der Verfasserin oder dem Verfasser, und zum Zweiten, dass man diese oder dieser es nach einiger Zeit erneut lesen konnte, um die eigenen Gefühle niedergelegten Verhaltensweisen zu überprüfen. Jeder, der ein solches Tagebuch geführt (oder auch nur gesehen) hat, weiß, dass beide Möglichkeiten zwar nachdenklich machen können, aber eben oft auch zum Schmunzeln verleiten: Ach, so etwas war mir damals wichtig?

Das Blog pervertiert das Tagebuch. Da wird sehr viel sehr schnell und sehr unbedacht geschrieben. Da werden Gefühle auf den Markt geworfen, die noch gar nicht genügend gewachsen ist. Da wird gefühlsgeduselt, geschleimt und vergöttert wie auch niedergehasst, verachtet und in den Dreck getreten wird. Da wird keine Rücksicht auf den Nächsten genommen, der in das Licht der Öffentlichkeit gezerrt wird, und mit äußerster Vorliebe werden ganze Bevölkerungs- oder Berufsgruppen durch den Dreck gezogen, und letztendlich wird nicht einmal daran gedacht, sich selbst zu schützen: Das Privatleben wird Öffentlichkeit. Fehlt nur noch der bürgerliche Name dazu – doch der lässt sich gegebenenfalls auch herausfinden.

Natürlich gibt es Menschen, die ihren Blog allein deswegen schreiben, um eine Art privater Prominenz zu erreichen. Sie allerdings stellen nicht ihre wahre Person ins Netz, sondern nur denjenigen Teil, der ihnen Popularität bringt. Zwar sind die Londoner Hure Belle de Jour oder das Peep-Show-Girl dafür Extrembeispiele, doch gut geeignet, zu verdeutlichen, worum es geht: Auch Seelenstriptease kann unterhaltsam sein. Das liest sich bisweilen witzig, und wahrhaftig gibt es dagegen nichts zu sagen: Jeder darf seine private Schaubude eröffnen und sich dort präsentieren.

Hier und anderwärts wurde oft darüber diskutiert, was Blogs eigentlich sind, und um kluge Antworten ist man selten verlegen. Doch wenn wir der Frage nachgehen, ob Blogs Tagebücher sind, kommen wir sehr schnell zu einem überraschenden Ergebnis: Gemessen am alten Tagebuch sind Blogs ähnlichen Inhalts die Umkehrung dessen, was mit den meisten Tagebüchern beabsichtigt wurde: Aufzuschreiben, was vom Tage übrig blieb, um es später selber wieder lesen zu können und dabei zu hoffen, dass andere es erst dann entdecken, wenn man über die Zeit hinaus ist, sich wegen der darin enthaltenen Gedanken angreifbar zu machen.

© 2004 by sehpferd

Miss Understood ist die meistverlinkte Person im Twoday.net – sie kam auf 59 Verweise in 49 Quellen. Das hat jetzt Blogstats festgestellt. Auch weitere Mitglieder des österreichischen Anbieters liegen bei der Verlinkung auf den oberen Plätzen.

Das offenbar meist verlinkte BlogTeam ist Moe samt Untermieterin, es kam auf 338 Verweise in 145 Quellen. Moe wurde kürzlich als „der Dieter Bohlen des Blogging“ bezeichnet.

Nun, nicht nur ich habe Leser, die sich ihre Köpfe damit zerbrechen, nach meinen Motiven zu forschen. Catastrophe Chocolat und Lilli Tapí haben sie auch. Denen schrieb ein Leser: „Was ist ihr Ziel? Was ist Ihr Ziel?“. Nun ja, typische Deutschdummfrage. Selbst wenn jemand nach dem Sinn hätte fragen wollen, wäre die richtige Frage gewesen, „was sind ihre Ziele?“.

Fragen sind daher Glückssache. Antworten hingen Denksachen. Eine der Damen auf der Achterbahn jedenfalls meinte, sie frage sich auch immer wieder, was ihr Ziel sei, und fügte an, dass ihre Antwort selten die gleiche sei.

Eine der Antworten: „Nach einem Abend beim Italiener um die Ecke ist mein Ziel, den Tag trotz Rotweinkopf zu überstehen“.

In den letzten Tagen las ich zwei der interessantesten Meldungen, die hier seit Menschengedenken (oder seit ich hier bin) veröffentlicht wurde. Die eine sagt mit vielen Worten die ultimative bloggiastische Wahrheit, die andere weist auf einen wichtigen Faktor in der Bloggosphäre hin. Dieser Nachzügler schließlich beschäftigt sich intensiv mit Marketingproblemen vereinsamter Blogger.

Weitere Erfolgsstories? Man darf gespannt sein. Wie wäre es damit?

Ich ich ich hasse Politiker (alle, alle, alle, alle Tätärä)

(Politiker lässt sich durch jeden beliebigen anderen Begriff ersetzen - am Besten, man nimmt den, der gestern am Stammtisch erwähnt wurde).

Wie, der Satz kommt jemandem bekannt vor? Muss wirklich ein Zufall sein.

Das Blog kommt bekanntlich vom Log, also aus der Seefahrt. Inzwischen hat es sich über die Welt verbreitet und bringt Autoren und Leser zusammen, die sich für das Zeitgeschehen im Mikro- wie auch im Makrokosmos interessieren. Dabei erblickt manches das Licht des Bildschirms, was sonst vielleicht nicht veröffentlicht oder verbreitet würde.

Das ist schon alles. Menschen sind keine „Blogger“, nur weil sie ein Blog führen, und jeder, der sich den Begriff „Blogger“ oder „Bloggerin“ zu tief in die Seele schreibt, sollte um seine Gesundheit besorgt sein.

Waren das noch Zeiten, als wir uns um den Datenschutz das Maul zerrissen haben: Der Staat sollte nicht schnüffeln dürfen, die Telefongesellschaft schon gar nicht, und der Nachbar erst recht nicht: keine Information für Niemanden.

Heute weiß ich, wer gestern vor seinem Stammlokal gekotzt hat, wer hoffnungslos überschuldet ist und wie die letzte Liebesnacht eines Bloggers mit einem vielleicht ebenfalls bloggenden Flittchen war. Ich konnte, ohne jeden Zweifel, bislang ohne solche Informationen leben.

Mag ja noch hingehen, dass man stolz ist auf die negativen Seiten seines Verhaltens. Doch nun lese ich mehr und mehr, dass sich hier und dort dieser oder jene Blogger mit jenen anderen Bloggern oder Blogerinnen getroffen hat, was sich sehr gut anhört: Kommunikation ist schließlich wichtig.

Indessen weiß ich nun aber aus dem Geplapper, was am nächsten Tag hier und anderwärts veröffentlicht wird, wer präzis dabei war und dass eben jener so und so empfunden wurde und der Eindruck so oder so war.

Vermutlich wird schon bald veröffentlicht, wie zwei Blogger über einen dritten ratschen und wie die Ergebnisse Beider über ihr Zusammensein mit dem zuvor erwähnten Flittchen waren, so dass dann das Flittchen wieder bloggen kann, wie dieser oder jener Herr im Bett war. Was früher ein Plappermäulchen war, wird heute ein Bloggermäulchen.

 

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