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wirtschaft im blick

Die Spatzen pfiffen es längst von den Dächern: in der Wirtschaft ist das Bessere des Guten Feind. Denn während der so genannte Fachhandel ständig das Trauerlied der Käuferzurückhaltung singt, boomt der Handel im Internet: für 5,3 Milliarden Euro sollen deutsche Verbraucher dort im ersten Halbjahr 2004 eingekauft haben.

Man erinnere sich: Der gemeinsame Kampf von Ladenbesitzern und Gewerkschaften gegen längere Öffnungszeiten im Einzelhandel klingt noch in den Ohren nach, der Wunsch nach Sonntagsöffnungszeiten ist so gut wie aussichtslos an Gewerkschaften und Kirchen verloren. Was tut der Kunde also? Er kauft dort, wo er zu jeder Tages- und Nachtzeit hingehen kann: Im Internet – und dieser Trend wird noch zunehmen.

Wer rechtzeitig auf diesen Zug aufgesprungen ist, verdient mit – wer es verpasste, hat nun das Nachsehen. Das tatsächliche Verhalten der Verbraucher hat sowohl Ökonomen wie auch Ideologen längst überholt: Markt ist dort, wo Verkäufer und Käufer zusammenkommen, und zwar an 24 Stunden am Tag und an sieben Tagen in der Woche, und nicht dort, wo vereinzelte Waren in den Regalen gammeln und auf Käufer warten.

Es gibt kaum noch Webseiten bei Zeitungen, Zeitschriften und selbst Auskunftsdiensten, bei denen nicht diese lästigen Unterfensterchen aufgehen – und in ihnen drin ist dann Werbung. Nicht, dass ich etwas gegen Werbung hätte, im Gegenteil. Aber ich hasse Fensterchen, weil ich sie immer wieder schließen muss, wenn sie sich öffnen.

Doch es sind weniger die Fenster als deren Inhalt, der mich befremdet. Denn mehr als 4 von 5 dieser Fenster werben für private Krankenversicherungen. Ich bin nicht Mitglied einer solchen Versicherung und werde es auch nicht. Doch fiel mir auf: Diese Leute müssen sehr viel Geld haben, und eigentlich ist diese Geld ihnen doch von den Versicherten anvertraut, damit sie damit die Krankheitskosten bezahlen können. – oder sollte ich mich da irren?

Nun erheben dieselben Versicherungen, die mit Werbegeldern nur so um sich werfen, den Vorwurf, die Wahlfreiheit der Versicherten würde ihre Existenz gefährden: „Wer die private Krankenversicherung unter das Dach der gesetzlichen Kassen zwingt, der schafft sie in ihrer heutigen Form ab“ heißt es in einer Stellungnahme des Dachverbandes.

Offenbar scheut man seitens der privaten Krankenversicherer einen fairen, offenen Wettbewerb. Bislang jedenfalls verfuhr man ja wohl so, dass die guten Risiken junger Junggesellinnen und Junggesellen bei den privaten Versicherern landeten, während die schlechten Risiken der Familien und Alten bei den gesetzlichen Krankenkassen lagen.

Auch in der Rotlichtbranche herrscht Wettbewerb: Die Berliner Huren fürchten jedenfalls ein neues Bordell an der Berliner Stadtautobahn, das angeblich zum Preisverfall führen soll: Immerhin hat das Haus 58 Zimmer, und bei der angeblich schlechten Geschäftslage des Gewerbes fürchtet man den Preisverfall. Der soll schon begonnen haben: Für „etwas“, das vor Jahren noch 100 Euro gekostet habe, würde man heute nur noch 20 Euro erlösen, beklagt sich die Verbandssprecherin Stephanie Klee. Sie forderte zudem eine bessere berufliche Qualifikation ihrer Kolleginnen und verlangte eine „ordentliche Ausbildung“ für den Berufsstand, wie die Berliner Morgenpost berichtete.

Manchmal manipuliert die Presse wissend, manchmal aber auch leichtfertig: In vielen Artikeln werden Erotikkonzerne, aber auch einschlägige Versandhändler und selbst Einzelhändler als „Sex-Industrie" bezeichnet. Es handelt sich um eine fehlerhafte Übersetzung aus dem Englischen: „Industry" heißt in Wahrheit Branche, also auf Hochdeutsche „Geschäftszweig".

Das Handelsblatt schreibt von „Aktien der Sexindustrie" oder wahlweise von einem „Börsenverbot der Sex-Industrie", der Focus von einer „Marktdurchdringung der Sexindustrie", der Spiegel vom „Ausschluss der Sexindustrie". Urheber der "Sexindustrie" war indessen die „Deusche Presse Agentur" mit ihrem Artikel über die schwedische Europaabgeordnete Marianne Eriksson. Frau Eriksson hatte gefordert, Erotik-Anbieter von der Börse zu verbannen, weil die Gewinne dieser Unternehmen „aus dem Verkauf von Menschen" stammten.

Die schwedische Abgeordnete gehört zu einer Gruppe links orientierter Feministinnen, die grundsätzlich davon ausgehen, dass die Arbeit der Frauen in der Erotik-Branche Sklavenarbeit sei.

 

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